SIEGESSÄULE

Meine Nacht mit Bushido

25. Sept. 2015
SIEGESSÄULE-Redakteurin Kaey traf Bushido zum Radio-Interview bei Kiss FM

Vor einiger Zeit landete in der SIEGESSÄULE-Mailbox eine Interviewanfrage vom Radiosender 98.8 KISS FM. Ein Hörer hatte den Sender zu einer Challenge herausgefordert: ein 98-stündiges Interview mit einem Prominenten. Die Namen einiger Bekanntheiten wurden in den Raum geworfen, unter anderem Daniela Katzenberger, Matthias Schweighöfer und Bushido. Sehr schnell wurde klar, dass die Zuhörer den Skandalrapper bevorzugten und dieser ließ sich dann auf das Experiment ein.

Der Radiosender wollte nun einige Talkgäste, die Bushido in die Mangel nehmen „ohne ein Auge zuzumachen und ohne, dass wir ein Auge zudrücken.“ (Zitat aus der Interviewanfrage). Immer wieder gibt es Auseinandersetzungen mit dem Musiker aufgrund seiner Songtexte, in denen die Begriffe schwul, Schwuchtel, Tucke u. ä. als Schimpfworte benutzt werden. Was lag da näher, als bei SIEGESSÄULE anzufragen, ob Interesse an einer Konversation besteht?

Bereits im Vorfeld gab es viele Kommentare aus der Community mit der irritierten Frage, weshalb SIEGESSÄULE Bushido eine Plattform bietet. Tatsächlich fand ich den Ansatz hier ganz anders. Der Jugendradiosender 98.8 KISS FM hat der SIEGESSÄULE eine Plattform geboten, und wer, wenn nicht SIEGESSÄULE könnte ihm die Stirn bieten? Außerdem fand ich die Idee sehr interessant, dass ihm eine Trans*frau gegenübersitzt.

Während meiner Recherche wurde eines klar: Bushido redet sich gerne raus, wenn es um seine Sprachwahl in seinen Songtexten geht. Für ihn ist das die Sprache des Genres, in dem er sich bewegt und er geht davon aus, dass man das trennen kann. Nur weil er die Worte „Schwuchtel“, „Tunte“, „Tucke“ etc. als Schimpfworte benutzt, hieße das noch lange nicht, dass er auch homophob sei.

Mit einer halben Stunde Verspätung konnte ich mein Interview gegen 23:30 dann beginnen. Bushido war sehr freundlich und aufgeschlossen, obwohl er bereits seit morgens um 7 Uhr auf Sendung war. Als ich ihm die SIEGESSÄULE überreichte, konnte er sich daran erinnern, dass er uns bereits vor einigen Jahren ein Interview gegeben hat. Die Moderatorin Toyah hatte ihn zuvor schon zum Thema Frauenfeindlichkeit in die Mangel genommen, trotzdem war er nicht auf Krawall gebürstet. Es geschah, was ich bereits erwartet hatte: Bushido, eine Teflonpfanne. Jegliche Argumente, dass die Sprache die er in seinen Liedern benutzt, schwulenfeindlich sind, glitten ins Bodenlose: Er distanzierte sich regelrecht von seiner Kunst. „Keiner darf mich aufgrund meiner Musik beurteilen oder verurteilen.“ Auf die Frage, wie viel denn von seiner Persönlichkeit in seiner Kunst steckt, vergleicht er Musik machen mit Squash spielen. Ins Studio gehen bedeute für ihn, Aggressionen zu verarbeiten und dann damit auch abzuschließen. Leider ist Bushido die Dimension von Sprache am Ende nicht wirklich bewusst oder vielmehr auch egal. Auf seinen Platten wird er weiterhin schwulenfeindliche Texte rappen und in Interviews versuchen, klarzumachen, dass er nichts gegen Schwule habe. Vor allem auch, weil er kein Verständnis dafür hat, dass die Community unentwegt an ihm Kritik übt.

Es ist schon irgendwie schizophren: Bushido distanziert sich als Person von seinem eigenen Produkt, der Musik. Die Essenz daraus ist, dass man ihn eigentlich nicht ernst nehmen kann, denn im Grunde ist klar, dass es nur Gepose ist. Das ihn immerhin zu einem reichen Mann gemacht hat. Denn letztendlich verdient er damit Millionen und konnte sich so mit der Schwester von Sarah Connor eine Villa und eine Fischzucht am Stadtrand von Berlin aufbauen. Dafür hat er jetzt wieder mehr Zeit als gedacht: Der Versuch, 98 Stunden lang Interviews zu geben, wurde nach 32 Stunden abgebrochen.

kaey

Ein Video mit den Highlights des Interviews gibt es hier

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