Film

Gegen das Vergessen: „Der Staat gegen Fritz Bauer“

29. Sept. 2015

Der für zahlreiche „Tatorte“ bekannte Regisseur Lars Kraume ist im Oktober mit gleich zwei hochkarätig besetzten deutschen Produktionen im Kino vertreten. Dabei thematisieren sowohl das Nachkriegsdrama „Der Staat gegen Fritz Bauer“ als auch die Tragikomödie „Familienfest“ homophobe Gesellschaftsstrukturen

– Dieser Mann war vielen lästig: Fritz Bauer, Sozialdemokrat, Jude und KZ-Überlebender, sah nach Jahren des Exils seine Aufgabe darin, als Generalstaatsanwalt am Aufbau eines neuen, eines demokratischen Deutschlands mitzuwirken. Vor allem aber wollte Bauer, dass sich die Deutschen ihrer Geschichte stellen und die Verbrechen der Nationalsozialisten aufgearbeitet werden.

Welche Widerstände vonseiten der Politik wie des Justizapparates er dabei zu überwinden hatte, zeigte bereits Giulio Ricciarellis Film „Im Labyrinth des Schweigens", der im November letzten Jahres ins Kino kam. Das Spielfilmdebüt über die Vorgeschichte der Auschwitz-Prozesse geht nun für Deutschland ins Oscar-Rennen. Überraschenderweise hatte auch Lars Kraume zeitgleich die Geschichte Fritz Bauers und dessen einsamen Kampf gegen das Vergessen als Filmstoff für sich entdeckt. Im Zentrum steht nun allerdings Fritz Bauers kaum bekannte Mitwirkung an der Entdeckung und Ergreifung von Adolf Eichmann, dem Organisator der Vernichtungstransporte. Die Adenauer-Regierung hat allerdings keinerlei Interesse, dass es zu einem Prozess gegen Eichmann auf deutschem Boden kommt. Zu groß ist die Angst, dass NS-Verbrecher vor Gericht weitere Namen nennen könnten – auch von jenen führenden Nationalsozialisten, die längst wieder in Wirtschaft und Politik zu Amt und Würden gekommen sind. „Meine eigene Behörde ist Feindesland", stellt Bauer (Burghart Klaußner) nüchtern fest. Tatsächlich werden alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Arbeit des „Landesverräters“ zu behindern. Auch seine Homosexualität will man notfalls nutzen, um den unliebsamen Juristen aus dem Amt zu jagen. Dass Bauer im dänischen Exil wegen homosexueller Kontakte verhaftet worden war, ist dem BND nicht verborgen geblieben. 

Zu welchen Vorsichtsmaßnahmen und Arrangements sich Bauer gezwungen sah, um sich als schwuler Mann in der Adenauer-Ära behaupten zu können, lässt Kraume lediglich in einigen Dialogen anklingen. Umso deutlicher zeigt er am Beispiel von Bauers (fiktivem) Kollegen, einem jungen Staatsanwalt (Ronald Zehrfeld), wie dessen Affäre mit einem Transvestiten und Cabaret-Sänger die bürgerliche Existenz zu zerstören droht.

Zugegeben, „Der Staat gegen Fritz Bauer“ mag just bei diesem Handlungsstrang etwas lehrstückhaft erscheinen, aber das fällt kaum ins Gewicht. Kraumes Kammerspiel ist Politthriller, Geschichtsdrama und Biopic in einem und zweifellos eine der besten deutschen Produktionen des Jahres. Der 32-jährige Filmemacher setzt auf detailgenaue Ausstattung, messerscharfe Dialoge, nuancierte Charakterzeichnungen – und ganz besonders auf Burghart Klaußner, dem man für diese darstellerische Leistung jeden erdenklichen Preis wünscht.

Wie intensiv Kraume mit Schauspielern zu arbeiten vermag, beweist er auch in „Familienfest“. Schon allein, wie Hannelore Elsner als alkoholkranke Furie ihre boshaften Wahrheiten ausspuckt, ist ein Vergnügen. Im Kino wirkt diese ZDF-Produktion allerdings etwas deplatziert. Es geht um einen berühmten Pianisten (Günther Maria Halmer), der seinen 70. Geburtstag feiert. Die Familie versammelt sich dazu in der großbürgerlichen Villa, um sich gegenseitig das Leben zur Hölle zu machen. Der Plot gilt spätestens seit Thomas Vinterbergs „Das Fest“ und Jodie Fosters „Familienfest und andere Schwierigkeiten“ als ausgereizt. Bei Kraume wirken die Konflikte nun etwas konstruiert und TV-tauglich zu einem versöhnlichen Ende gebracht. Einzig der schwule Sohn (Barnaby Metschurat), der mit seinem Lebenspartner ein Kind adoptieren möchte, kann dem Patriarchen die homophoben Ausfälle bis zuletzt nicht verzeihen. Unterm Strich bleibt ein bemerkenswerter Fernsehfilm. Für die große Leinwand ist er dann aber doch zu konventionell geraten.

Axel Schock

Der Staat gegen Fritz Bauer, D 2015, R.: Lars Kraume, ab 01.10. im Kino

Familienfest, D 2015, R.: Lars Kraume, ab 15.10. im Kino

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