SIEGESSÄULE präsentiert

„Rock ‘n’ Roll Sandman“: Sven Ratzke macht Bowie

8. Okt. 2015
Am 13.10. ist Weltpremiere von Sven Ratzkes Bowie-Programm „Starman“ ©Denis Veldmann

Am 13.10. feiert Sven Ratzke mit seinem Programm „Starman“ im Tipi Premiere. SIEGESSÄULE-Chefredakteurin Christina Reinthal hat vorab mit ihm gesprochen

Einmal mehr greift Tausendsassa Sven Ratzke nach den Sternen: Nach dem Musical „Hedwig and the Angry Inch“ und seiner Hommage an die Diven der 60er-Jahre („Diva Diva’s“) macht er nun ein Programm, das durchdrungen ist von Superstar David Bowie. „Starman“ feiert am 13.10. Premiere

Sven, du hattest immer schon ein Faible für Stars. In deinem letzten Programm hast du dich den Diven der 60er-Jahre gewidmet. Nun konzentrierst du dich zum ersten Mal nur auf eine Person. Warum David Bowie?
Das ist eigentlich ein sehr logischer Schritt gewesen für mich. Ich habe das Diva-Programm gemacht über das Mystische der Stars. Da ging es auch um die Lügengeschichten, die so ein Star mit sich trägt. Das hat schon auch mit Bowie zu tun. Bei ihm wusste man nie, was wahr ist und was erfunden. Und dann hab ich ja auch „Hedwig and the Angry Inch“, das Musical von John Cameron Mitchell, gemacht und kam zum ersten Mal mit Glamrock in Berührung. Da passt Bowie natürlich super in diese Reihe.

Was fasziniert dich an Bowie?
Er war schon eine Inspiration für mich, ohne dass ich je so ein riesiger Fan gewesen wäre. Ich hab viel mit ihm gemeinsam:
das Theatralische, die Einflüsse von Brecht und auch Brel. Und dann beeindruckt mich, dass er praktisch derjenige war, der in den 70ern den modernen Popstar erfunden hat.

Der Auftritt von Bowie bei Top of the Pops 1972 markiert den Beginn der queeren Popkultur. Er war für viele eine Art Erweckungsmoment. Du warst da noch gar nicht geboren, aber was bedeutet dieser Moment der Musikgeschichte für dich?
Das ist wirklich komisch bei mir: queere Kultur, schwules oder lesbisches Leben, all das war für mich immer Normalität, und deswegen hat dieser Moment für mich auch nicht so eine große Bedeutung. In den 70ern war das sicher anders: Bowies Auftreten, sein ganzes Sein war eine Revolution. Aber ich habe mich nie gefragt, ob es o. k. ist, hohe Absätze oder Glitzerfummel zu tragen, ich habe es einfach gemacht. Ich habe mich auch nie gefragt, warum sich jemand nicht soundso anziehen oder sich soundso benehmen soll, auch sexuell. Ich hoffe, dass die Zeit kommt, in der sich das niemand mehr fragt.

Mit dem Titel „Starman“ beziehst du dich ja sehr auf die Ziggy-Stardust-Phase.
Wir machen vor allem Songs aus den 70er-Jahren. Dieses Jahrzehnt finde ich am interessantesten, weil er in dieser Zeit ein Star geworden ist und immer wieder neue Charaktere erfunden hat. In diese Zeit fällt auch die Berlin-Phase mit „Heroes“.

Wirst du also an diesem Abend mehrere Identitäten durchleben?
Es ist eher so, dass ich eine sehr facettenreiche Figur kreiere, die eine Art Reise unternimmt.

Ein wiederkehrendes Element deiner Shows sind die fantastischen Geschichten, die du erzählst. Du nimmst dein Publikum mit in kuriose und verrückte Welten ...
Ja, und so mache ich es auch bei „Starman“. Es wird kein Bowie-Musical, das biografisch erzählt. Das Wichtigste an diesem Programm ist eigentlich, dass der Name Bowie den ganzen Abend nicht genannt wird. Natürlich ist er da, sein Blut fließt durch diese Show – ganz klar. Aber ich sage nicht: Ich bin jetzt David Bowie, sehe so aus und rede so wie er. Es ist meine Show, und Bowie hat seinen Atem dazugegeben, den Stardust. Wir haben auch drei eigene Songs im Programm und im ersten singe ich: „I'm a rock 'n' roll sandman, I blow stardust into your eyes. Now we are dreaming the same dream, chasing the same desire.“ Also, ich bin der Rock-'n'-Roll-Sandmann und nehme alle mit in meinen Traum von Bowie.

In einem deiner älteren Programme hast du mal erzählt, du hättest eine Nacht Sekt trinkend mit Romy Haag auf deinem Balkon in Berlin verbracht. Hat sie dir da auch von Bowie erzählt?
(lacht) Das war natürlich auch eine von diesen Geschichten. Aber es stimmt schon. Als ich anfing, in der Bar jeder Vernunft aufzutreten, habe ich mal mit ihr über diese Zeit gesprochen. So wie sie es mir geschildert hat, hat er auf sie eine unheimliche Anziehung ausgeübt, aber auch ihre Ideen geklaut. Da hab ich gedacht: der Bowie ist bestimmt ein ziemliches Arschloch, das für seine Karriere über andere drüberwalzt. Ich bin aber inzwischen zu anderen Einsichten gekommen. Es ist ein schmaler Grat zwischen Inspiration und Diebstahl. Künstler nehmen eben viel aus ihrer Umgebung auf und machen es dann zu etwas Neuem. So war es sicher auch bei Romy. Ich kann aber sehr gut verstehen, dass es sie nervt, so viel darauf angesprochen zu werden. Sie ist ja selber eine Ikone, hat viel geschaffen, und war natürlich viel mehr also nur die Muse von David Bowie.

Wird sie denn zur Premiere kommen?
Ich hoffe! Sie ist jedenfalls herzlich eingeladen.

Mit „Heroes“ wirst du dich auf Berlin beziehen, auch das Chez Romy Haag kommt in deinem Programm vor.
Ja, ganz klar. Deswegen machen wir auch die Premiere in Berlin, bevor wir auf die große Tour gehen. Es ist ja auch meine Heimatstadt, und ich bin sehr stolz darauf, dass Bowies drei beste Alben, die „Berlin-Trilogie“, so eng mit ihr verknüpft sind.

Du gibst seinen Songs ein sehr intimes Setting, ganz anders als der Superstar Bowie in riesigen Stadien. Hast du keine Angst vor dem Vergleich? Alle kennen Bowie sehr gut und viele lieben ihn abgöttisch. Befürchtest du nicht, dass es Erwartungen gibt, die du nicht erfüllen kannst?
Nee. (lacht) Natürlich ist das die erste Frage, die man sich als Künstler stellt: Kann ich das überhaupt machen? Bei Bowie ist es so, dass die Kompositionen und Texte einfach genial sind. Das macht es einfach für mich. Nicht, weil ich mich dann auf dieser Qualität ausruhen kann, sondern weil sie eine perfekte Grundlage sind, etwas Neues daraus zu machen.

Du packst also viel Ratzke in den Bowie, aber was macht eigentlich Bowie mit dir?
Er gibt mir eine ganz andere Energie, eine andere Kontrolle. Ich übernehme viel von seiner Coolness. In den letzten Jahren habe ich überwiegend weibliches Material gesungen. Ich hab da nie so drüber nachgedacht, aber neulich blickte ich zurück und stellte fest: „Hedwig“ ist eine Frau, bei „Diva Diva’s“ ging es nur um Frauen, ich singe gern Brecht, der ja viel für die Ladys geschrieben hat. Nun kommt also ein eher maskuliner Charakter ins Spiel – wenn auch androgyn, aber eben in seinem textlichen und emotionalen Ausdruck sehr maskulin. Das macht viel mit mir. Auch stilistisch hat er Einfluss auf mich, und ich kann schon sagen, dass sich das auf mein nächstes Programm auswirkt. Da werde ich viel Eigenes machen, und das wird ziemlich poppig. Also: Ciao Rosenstolz, hier kommt Ratzke (lacht).

Interview: Christina Reinthal

SIEGESSÄULE präsentiert: Sven Ratzke & Band: Starman, 13.10. (Premiere und Record Release), 17., 18.10., 20:00, Tipi

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