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Maneo und Mann-O-Meter feiern Geburtstag

10. Okt. 2015
Rudolf Hampel (li.) und Bastian Finke © Hassan

Seit 30 Jahren gibt es in Schöneberg die Beratungsstelle Mann-O-Meter, aus der wiederum vor 25 Jahren das schwule Anti-Gewalt-Projekt Maneo hervorgegangen ist. Am 12. Oktober werden die beiden Jubiläen mit einer Gala im Tipi gefeiert. SIEGESSÄULE.DE hat mit Rudolf Hampel, Vorstandsmitglied von Mann-O-Meter, und Bastian Finke, Leiter von Maneo, über die Aids-Krise der 80er- und 90er-Jahre, homophob motivierte Gewalt und Kritik aus der Community an ihrer Arbeit gesprochen.

Rudolf, seit fast 30 Jahren bist du Vorstandsmitglied vom Mann-O-Meter e.V. und damit der Dienstälteste im Verein. Ist das Jubiläum für dich eher ein Anlass, nach vorne zu gucken oder auch eine Zeit, um zurückzublicken? Rudolf: Beides! Aber zur Zeit denke ich schon oft über die Anfänge nach, denn die meisten schwulen Männer, die heute in Berlin leben, können sich das gar nicht vorstellen, wie das Leben in der Szene damals war. Der Themenkomplex HIV und Aids war noch ziemlich neu und mit zahlreichen Ressentiments und berechtigten wie unberechtigten Ängsten verknüpft. Dazu kommt, dass wir damals noch den Paragraf 175 im Strafgesetzbuch hatten.

War es in dieser angespannten Stimmung nicht schwierig, überhaupt finanzielle Mittel für Mann-O-Meter zu bekommen? Rudolf: Man muss sagen, dass die Politiker damals einsahen, dass sie sich dem Zeitgeist und dessen Herausforderungen zu stellen hatten. Sowohl die damalige Bundesgesundheitsministerin Rita Süssmuth als auch der Berliner Gesundheits-Senator Ulf Fink, beide von der CDU, hatten einen sehr offenen Ansatz, als es darum ging, sich zu überlegen, wie man als Staat an Schwule, die Hauptbetroffenen von Aids, rankommt. Auf einmal hieß es: Hier habt Ihr eine Menge Geld, macht was draus!

Wie haben sich die Themen der Männer, die zu euch in die Beratung kommen, seit damals verändert? Rudolf: Vor 30 Jahren gab es kaum Informationen darüber, was Aids ist, wie es sich überträgt und wie man sich schützen kann. Hier etwas zu verändern, war mit Sicherheit unser wichtigstes Thema. Das ist heute anders. Die meisten wissen Bescheid und finden außerdem über das Internet zahlreiche Informationen. Allerdings gibt es auch im Jahr 2015 weiterhin eine zentrale Aufgabe, die für Mann-O-Meter sehr wichtig ist: Gerade junge Männer dazu zu bringen, sich regelmäßig auf HIV testen zu lassen.

Neben Mann-O-Meter feiert auch MANEO sein Jubiläum. Warum wurde das Anti-Gewalt-Projekt 1990 gegründet? Bastian: Zum einen gab es wegen der Aids-Krise heftige homophobe Ressentiments und auch gewalttätige Übergriffe. Da fielen Begriffe wie „schwule Aids-Schleuder“ und Ähnliches. Auf der anderen Seite war mit dem damals noch existierenden Strafparagrafen 175 das Verhältnis zur Polizei alles andere als entspannt. Es gab auch Razzien in schwulen Lokalen. Die Polizei war für LGBT*s kein „Freund und Helfer“. Diese Probleme anzugehen, war der wesentliche Hintergrund für die Etablierung von MANEO. Vor allem brauchten die Betroffenen von Gewalt eine Anlaufstelle.

Zurück in die Gegenwart: Wie viele Fälle homophober Gewalt werden bei euch gemeldet? Bastian: Das ist seit Jahren ziemlich konstant. Im Schnitt wird ein Fall pro Tag gemeldet. Rudolf: Dazu kommt, dass viele Opfer sehr zurückhaltend sind beim Anzeigen von Delikten. Gerade, wenn es sich um vermeintliche Bagatellen handelt, denken sich viele: „Ach komm, so schlimm war das jetzt auch wieder nicht.“ Wir gehen deshalb von einer sehr hohen Dunkelziffer aus.

Wie geht ihr mit der Kritik seitens einiger Akteure innerhalb der Community um, die euch z.B. ein weißes, männlich-dominiertes Weltbild vorwerfen oder Rassismus? Ich denke da zum Beispiel an das viel debattierte Kiss-In im Frühjahr … Bastian: Ich habe das von Anfang an nicht verstanden. Wir machen das Kiss-In seit langem in diversen Bezirken und warum ich das für Kreuzberg sozusagen zuerst „beantragen" muss, erschließt sich mir nicht. Dann gibt es den Vorwurf, wir würden uns bei den Tätern nur auf solche mit islamischem Hintergrund konzentrieren. Das ist natürlich völliger Quatsch. Wir sind fest davon überzeugt, dass uns Vielfalt stark macht. Alles andere ist nur Gerede. Rudolf: Es ist aber schon auch wichtig, dass wir Probleme benennen. Der Ansatz „Was nicht sein darf, kann auch nicht sein“, bringt uns auch nicht weiter. Immerhin wissen wir, dass in der gesamten islamischen Welt Homophobie zur Staatsdoktrin gehört. Und ich finde es nicht richtig, dass einem gleich die Rassismus-Keule um die Ohren fliegt, wenn man darüber spricht, dass das auch auf hier lebende Muslime Auswirkungen hat.

Viele Menschen in der Community kümmern sich zur Zeit um queere Geflüchtete. In welcher Form seid ihr mit diesem Thema konfrontiert? Bastian: Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht mindestens ein Flüchtling zu uns kommt und Unterstützung sucht. Wir haben deshalb eine eigene Ansprechperson eingestellt, die arabisch spricht und sind dabei, unser Angebot noch zu verstärken. Für jede ehrenamtliche Unterstützung sind wir dankbar.

Bekommt ihr viele Geburtstagswünsche?
Rudolf: Oh ja, die gibt es! Nur weil wir jetzt ordentlich feiern, sind wir noch lange nicht am Ziel. Wir wünschen uns mehr Personal und Geld, um noch effektiver arbeiten zu können und 2016 einen dritten Termin für HIV-Schnelltests an den Start zu bringen.

Interview: Daniel Segal

Maneo-Gala: Stars & Lights, Jubiläumsfeier zu 25 Jahre Maneo und 30 Jahre Mann-O-Meter, 12.10., 20:00, Tipi am Kanzleramt

mann-o-meter.de
maneo.de

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