Nightlife

Bartkleben reloaded: 15 Jahre Kingz of Berlin

15. Nov. 2015
Die Kingz of Berlin, einst Posterboys eines Trends © Anja Weber

Neuköllner Schillerkiez, Montagabend, irgendwann im Oktober, ein Ladenlokal. Es riecht nach McFit-Umkleide. Die Kingz of Berlin sind wieder da

17.11 – Am 20. November feiert die legendäre Dragking-Formation im SchwuZ ihr 15-jähriges Jubiläum mit einer großen Show. Es werden alle neun Kingz of Berlin gemeinsam auftreten und ihre alten Gruppentanznummern wieder auf die Bühne bringen. Als Special Guests sind Weggefährten dabei: die Spicy Tigers on Speed, die ebenfalls extra für diesen Abend wieder auferstehen. 

Vor 15 Jahren waren Dragkings in Berlin der letzte Schrei, die Kingz of Berlin die Posterboys des Trends. Die SIEGESSÄULE hob sie aufs Titelbild, auch die Süddeutsche Zeitung schrieb über die Brüder der Queens, die sich Bärte ankleben, die Hose ausstopfen, Krawatten umhängen und Männlichkeitsbilder performen – auf der Bühne, auf der Party, auf der Straße. „Das war ein echter Hype“, seufzt Nic van Dyke, der 2000 die Kingz of Berlin mitgründete. Die Kingz tanzten Gruppenchoreografien zu den Songs von den Village People, Backstreet Boys, 5ive und anderen, verzückten das Publikum in Berlin und bald auf CSDs und Festivals bundesweit. Sie gaben Dragworkshops, inspirierten andere Dragkünstler, Toni Transit gab ein Buch über Kings mit heraus. Irgendwann Mitte der 2000er war der Hype vorbei, die Wege der Kingz trennten sich. 

Nun sind sie wieder da. Einen Abend lang jedenfalls. „Wir wollen ein kollektives Fest der Freude am Gender-Quirli-Quirli“, drückt es Toni Transit aus. Mit der Bühne haben nur noch wenige von ihnen zu tun. Moritz G. moderiert regelmäßig Shows, Kris Ko performt gelegentlich, Toni Transit organisiert Kulturveranstaltungen – zusammen mit Moritz G. kuratierte er „Queer Up!“ im Gorki-Studio. Die anderen haben bürgerliche Jobs. Umso mehr Spaß macht ihnen die Reunion. Ihre alten Choreografien haben sie mit VHS-Kassetten rekonstruiert, nun treten sie sich gegenseitig auf die Füße, kichern, kalauern. „der Körper erinnert sich!“, ruft Johnny Kingsize, „Ohne Proben ganz nach oben!“, fordert Fronck de Saster, „Wir tanzen altersgerecht, Ausdruck statt Bewegung“, sagt Toni Transit, „Dynamisch, aber sinnlos!“ – und Moritz G. fasst zusammen: „Wir sind nur gealtert, nicht gereift.“ Fronck ergänzt: „Wir hoffen, dass das Publikum mit uns gealtert oder zumindest altersmilde geworden ist.“ Dann bricht ein Streit darüber aus, ob sie BHs auf die Bühne geworfen haben wollen oder lieber Stofftiere. „Für uns ist das eine Mischung aus Klassentreffen und Klassenfahrt“, sagt Ben d’Over. „Wir hoffen, dass unser Publikum von damals auch dabei ist!“ 

Zeit ist vergangen. Das zeigt sich nicht nur daran, dass manche Boygroup-Dance-Moves schwerfälliger geworden sind. Einige der Kingz müssen sich nicht mehr extra Bärte ankleben – das Geschlecht ist schon lange angeglichen. „Klar hat es bei uns auch zur Selbstfindung und zur Festigung der Identität beigetragen, dass wir als Kings auf die Bühne gegangen sind“, sagt Nic van Dyke.

Einige Nummern würden sie auch heute nicht mehr machen. „Manche unserer früheren Nummern sind ganz schöne Macker-Nummern, die sind heute nicht mehr lustig“, sagt Ben d’Over. „Vieles von den klassischen King-Performances ist heute nicht mehr so relevant.“ Das sehen nicht alle Kingz so. „Wobei wir uns damals auch schon viel über Maskulinität lustig gemacht haben“, sagt Kris Ko. Das ist heute noch genauso aktuell wie damals. Deswegen hoffen die Kingz auf viele Gäste und bieten auch einen Bartklebe-Service auf der Party danach an (Hot Topic). Fronck de Sáster ist überzeugt: „Drag hat heute die gleiche befreiende Wirkung wie damals!“

Malte Göbel

Gealtert, aber nicht gereift – 15 Jahre Kingz of Berlin, 20.11., 20:30, SchwuZ

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