Berlin

Nach dem Warnstreik der Schwulenberatung: Geschäftsführer Marcel de Groot im Interview

30. Nov. 2015
Geschäftsführer Marcel de Groot

Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) rief die MitarbeiterInnen der Schwulenberatung dazu auf, am 17. November 2015 für eine gerechtere Entlohnung auf die Straße zu gehen. Viele Beschäftigte zeigten sich höchst unzufrieden mit ihrer Arbeitssituation. SIEGESSÄULE.DE berichtete. Marcel de Groot, Geschäftsführer der Schwulenberatung, kann die Kritik teilweise verstehen. „Wir werden den Druck auf den Berliner Senat erhöhen“, kündigt er jetzt im Interview mit SIEGESSÄULE.DE an

Marcel, etwa ein Drittel der Belegschaft hat sich vor einigen Tagen am Warnstreik der GEW beteiligt. Hat Dich das erstaunt? Also ich weiß natürlich, dass es Unzufriedenheit gibt, aber auf der anderen Seite muss man auch mal feststellen, dass drei Viertel der MitarbeiterInnen nicht beim Streik waren. Viele von denen sagen mir, dass sie unseren Weg hier bei der Schwulenberatung in Ordnung finden und mitgehen. Dass es gut wäre, mehr Geld zu verdienen, das ist natürlich klar.

Von den Anwesenden hörte man allerdings immer wieder, dass sich einige aus Sorge vor Repressionen nicht trauen, sich am Streik zu beteiligen … Ich möchte dem Eindruck, es herrsche bei uns ein Klima der Angst, eindeutig widersprechen. Die hierarchischen Strukturen sind zwar durchaus stärker ausgeprägt als früher, aber immer noch so, dass keiner Angst haben muss, etwas Falsches zu sagen. Auch jetzt nach dem Streik wurde hier im Haus offen diskutiert. Darüber hinaus messe ich die Zufriedenheit der Belegschaft auch an der Fluktuation. Und da sieht man: Viele bleiben über Jahre bei uns und es gibt auch ehemalige MitarbeiterInnen, die wieder zurückkommen.

Noch mal zum Warnstreik selbst: Anlass war auch, dass du dich laut GEW geweigert hast, für die MitarbeiterInnen der Schwulenberatung einen Tarifvertrag zu verhandeln. Stimmt das? Ja, das stimmt. Die Vorgeschichte ist, dass bei der MitarbeiterInnen-Versammlung im letzten Jahr die Forderung im Raum stand, mit der GEW Gespräche wegen eines Tarifvertrags aufzunehmen. Nach einer Beratung durch den Paritätischen Wohlfahrtsverband und andere Institutionen, die in einem vergleichbaren Umfeld tätig sind, wurden diese Gespräche im vergangenen September schließlich auch geführt. Dabei kam zunächst heraus, dass die GEW, aber auch wir von der Schwulenberatung uns darüber einig sind: Ja, die Gehälter müssen erhöht werden.

Was war dann das Problem? Wir waren unterschiedlicher Auffassung, wie diese Erhöhungen finanziert werden können. Die GEW glaubt, dass wir einfach nur zum Senat gehen und mehr Geld fordern müssen und das auch bekommen. Für bestimmte Projekte ist das allerdings nicht möglich. Denn wenn es einen anderen Träger gibt, der das Gleiche für weniger Geld macht, dann gehen wir leer aus. Es herrscht ein harter Konkurrenzkampf, auch innerhalb der Branche.

Die GEW findet, es dürften eben keine Projekte angenommen werden, die keine tarifvertragliche Bezahlung gewährleisten. Diese Aussage hat mich ehrlich gesagt ein wenig überrascht, denn damit sagt die GEW aus meiner Sicht, dass wir MitarbeiterInnen entlassen sollen. Denn dann können wir eben einige Projekte schlichtweg nicht weiterführen. Genau das aber war nie unsere Politik. Mein Eindruck ist, dass die GEW von unserem Bereich sehr wenig Ahnung hat und ihre eigenen Probleme über uns abwälzen will. Sie will und muss sich wohl profilieren, denn in Berlin haben nur etwa sechs Prozent der Träger einen Tarifvertrag mit der GEW abgeschlossen.

Dennoch: Der Konflikt ist da. Was wird jetzt passieren? Es ist uns bewusst, dass sich etwas verändern muss und wir uns neu strukturieren müssen. Mitte Dezember werden wir einen Plan vorlegen, wie wir die Gehälter weiter erhöhen können. Dazu wird auch gehören, den Druck auf den Senat zu erhöhen.

Interview: Daniel Segal


Weitere Artikel zum Thema:

Schwulenberatung: Ein Drittel der Beschäftigten ging am Dienstag auf die Straße Warnstreik bei der Schwulenbratung

Das Siegessäule Logo
Das Branchenbuch mit Haltung
Queer. Divers. Überzeugend.