HIV

Ready for PrEP! Die Lovelazers werben für die Pille davor

25. Jan. 2016

Die Gruppe Lovelazers macht sich für die vorbeugende Einnahme von HIV-Medikamenten stark. Mitgründer Jonathan erklärt, warum ihm die PrEP so wichtig ist

Eine kleine Tablette kann einen großen Unterschied machen. Das hat Jonathan erfahren, als er vor einigen Jahren in London an der Medizinstudie PROUD für schwule Männer teilnahm. Alle Teilnehmer hatten laut aktuellem Test kein HIV. Die eine Hälfte bekam ein Anti-HIV-Medikament, das sie vorbeugend einnehmen sollten. Prä-Expositions-Prophylaxe heißt das Fachwort, abgekürzt: PrEP. Die andere Hälfte bekam keines. „Die Mediziner wollten schauen, wie sich die beiden Gruppen unterscheiden“, erzählt Jonathan. „Jeden Tag musste ich im Internet einen Fragebogen ausfüllen.“ Die Fragen waren intim: Hattest du Sex? Hast du ein Kondom benutzt?

Nach einem Jahr wurde die Studie abgebrochen: Bei der Gruppe ohne Tabletten war es zu deutlich mehr HIV-Infektionen gekommen. Auch Jonathan wurde damals positiv getestet. „Für mich war das ein Schlüsselerlebnis“, sagt Jonathan. „Ich wusste: Wenn du das Medikament bekommen hättest, dann wärst du jetzt wahrscheinlich negativ.“ Die HIV-Infektion habe sein Leben nicht dramatisch verändert, aber ein Einschnitt sei sie schon gewesen. „Seitdem denke ich mir: Krass! Wenn das Medikament so gut wirkt, warum bekommt dann PrEP nicht längst, wer es braucht und will­?“

Gemeinsam mit fünf Freunden wirbt der 26-Jährige deshalb für die Vorteile der PrEP. Im Sommer 2015 haben sie die Gruppe Lovelazers gegründet und einen Flyer entworfen, der Schwule mit Fakten zur PrEP füttern soll. Das Präventionsprojekt manCheck hat das Faltblatt drucken und verteilen lassen. Nun liegt es in Berliner Bars und Clubs aus.

Die Lovelazers kennen sich schon aus Leipzig, wo sie gemeinsam die Party „Homo Elektrik“ organisiert haben. „Wir sind viel im elektronischen Tag- und Nachtleben unterwegs“, sagt Jonathan. Gerade in der Partyszene könnte die PrEP eine Entlastung sein, hofft Jonathan. „Es geht uns nicht darum, das Kondom zu verteufeln“, betont Jonathan. „Wir wollen klarmachen: Die Wochenend-Prep bietet eine sehr gute Möglichkeit, sich im Voraus vor HIV zu schützen, auch wenn du gerade kein Kondom dabeihast. Oder wenn du Drogen genommen hast.“

Zwei große Studien mit schwulen Probanden haben nachgewiesen, dass HIV-Therapien auch vorbeugend wirken. Selbst wenn die Pillen nur tageweise eingenommen werden, sinkt das Risiko einer Infektion deutlich. (SIEGESSÄULE berichtete) In Frankreich und den USA übernehmen Krankenkassen deshalb die PrEP-Kosten – unter strengen Auflagen. In Deutschland sind HIV-Medikamente nicht als Vorsorgemaßnahme zugelassen. Das bedeutet: Wer sie möchte, muss selbst bezahlen. Ärzte verschreiben sie nur ungern, denn sie haften, wenn der Patient sie nicht verträgt.

„Wir wollen politisch ein bisschen Druck machen, dieses wichtige Präventionstool auch in Deutschland einzuführen“, sagt Jonathan. „The new safer sex“ nennen die Lovelazers ihre Flyer-Serie. Demnächst folgen Themenblätter zur Post-Expositionsprophylaxe (PEP) und zum „Slamming“, der Drogenkonsum per Spritze in die Blutbahn.

Schon nach dem ersten Flyer führen die Lovelazers auf ihrer Facebook-Seite heftige Diskussionen. Viele User sehen die in Deutschland bisher sehr erfolgreiche HIV-Präventionspolitik bedroht. „Es wird schwulen Männern oft vorgeworfen, dass wir nur rumficken und das Gesundheitssystem ausnützen wollten“, berichtet Jonathan. „Die Diskussion wird schnell moralistisch. HIV ist ein Thema, das viele Ängste weckt.“ Die Flyer seien eine „Anregung an die schwule, alternative Szene, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen“. Jonathan rechnet mit einer leidenschaftlichen Debatte: „Das ist eine Freiheitsdiskussion. Es geht darum, wie ich meine eigene Gesundheit in die Hand nehme – ohne gleich beeinflusst zu werden von bestimmten gesundheitspolitischen oder moralischen Vorstellungen.“

Philip Eicker

Hier geht es zum Flyer „PrEP – die Pille davor“: lovelazers.org

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Jonathan von den Lovelazers


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