Bewegungsmelder

Nichts als Kaffeeklatsch

7. Feb. 2016
Dirk Ludig (c) Tanja Schnitzler

Dirk Ludigs zum 15-jährigen Jubiläum des Lebenspartnerschaftsgesetzes

In diesem Jahr wird das Lebenspartnerschaftsgesetz 15 Jahre alt. Allein das ist schon eine miserable Nachricht. In keinem anderen Land der Welt lässt die Ehe für Alle nach einer grundsätzlichen Anerkennung schwuler und lesbischer Partnerschaften länger auf sich warten als in Deutschland. In den vergangenen fünfzehn Jahren sind 19 Staaten an Deutschland vorbeigezogen darunter alle wichtigen Demokratien des Westens, von denen sonst immer behauptet wird, wir teilten mit ihnen gemeinsame Werte. Es werden noch einige Länder mehr werden. Das Jubiläum wäre also ein echter Grund, in sich zu gehen und sich zu fragen: Was läuft hier schief? Was für Fehler haben wir gemacht, wie können und müssen wir uns neu aufstellen?

Die Chance wird verstreichen. Am kommenden Donnerstag hat die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld stattdessen zu einer Podiumsdiskussion geladen, auf der diese Fragen so sicher nicht gestellt werden. Das Podium, Durchschnittsalter sechzig Jahre, liest sich wie der fleischgewordene Ennui der deutschen LGBT-Welt. Oder eine Phönix-Runde zum gleichen Thema von 2001. Volker Beck, Barbara Höll, Rita Süssmuth (!?), dazu der unausweichliche taz-Redakteur für besondere Aufgaben und Mitglied des Kuratoriums der Stiftung Jan Feddersen, der sonst nur noch auffällt, wenn er für seinen anderen Arbeitgeber, den NDR, Xavier Naidoo gegen den queeren Mob verteidigt oder Genderfragen zum Nebenwiderspruch erklärt.

Auf diesem Podium lässt sich abschwenken, was aus einer Bewegung wird, die zum Establishment erstarrt ist, bevor sie ihre Ziele erreicht hat. „Ein Meilenstein der homosexuellen Emanzipationsbewegung? – Resümee und Ausblick“ lautet das Thema. Damit es nicht völlig danach aussieht, als gehe es nur darum, die eigenen Heldentaten Revue passieren zu lassen, während draußen längst eine ganze Welt an den Damen und Herren vorbeigezogen ist, kriegt der Kaffeeklatsch-Titel ein freches Fragezeichen angehängt.

Aber das ist bedeutungslos. Den Ton durfte vorab der Methusalem der Runde, der 81-jährige ehemalige Bundesanwalt Manfred Bruns im Interview mit Moderator Dr. Fabian Leber im Tagesspiegel setzen: „Ehe und Lebenspartnerschaft unterscheiden sich ja praktisch überhaupt nicht mehr, nur noch in formellen Dingen. Das ist schon mal das Wesentliche. Der gleiche Name [Ehe, Anm. des Autors] ist schon wichtig. Ich bin aber nicht so traurig über diese Verzögerung, weil ich denke, über kurz oder lang wird das trotzdem kommen.“

Aus der Welt gefallene Sätze, die eine ganz tiefe Provinzialität des Denkens offenbaren. Bruns kümmern die binationalen Partnerschaften nicht, die sich nach deutschem Recht für tausende von Euro scheiden lassen müssten, damit sie in fortschrittlicheren Ländern heiraten dürften, wo ihre deutschen Lebenspartnerschaften im Unterschied zu Ehen nämlich nicht anerkannt werden. Ihn kümmern die Kinder nicht, die von Lebenspartnern erst nach Jahren adoptiert werden dürfen. Vor allem aber kümmert ihn die normative Kraft des Faktischen nicht, die mit dem deutschen Zweiklassenrecht daherkommt. Ganz zu schweigen vom minderen Schutz, den das Sonderkonstrukt bieten wird, wenn, Gott bewahre, die Storchs und Petrys in diesem Land mal von denen mit in die Regierung gehoben werden, die Schwulen und Lesben schon jetzt und bis heute gleiche Rechte verweigern.

Stattdessen empfiehlt Bruns, auf keinen Fall etwas zu unternehmen: „Wenn in der nächsten Legislaturperiode nichts kommt, dann müssen wir über eine Klage nachdenken. Jetzt aber macht sie keinen großen Sinn.“ Man könnte ja mal umgekehrt fragen, warum eine solche Klage nicht schon seit Jahren auf dem Weg ist? Fragezeichen?

Von Martin Luther King stammt der Satz: „Keep your eyes on the prize“! Die Schnittchen beim Bankett waren damit nicht gemeint.

Dirk Ludigs

15 Jahre Eingetragene Partnerschaft: Ein Meilenstein der Emanzipationsbewegung der Homosexuellen? - Resümee und Ausblick, 11.02., 19:00, Tagesspiegelhaus, Großer Konferenzsaal,
Infos unter mh-stiftung.de

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