Nachruf

In Gedenken an Heinz Uth

9. Feb. 2016

Die letzte Etappe wollte der „Marathon-Mann“, wie er einmal in der Presse genannt wurde, unbedingt noch nehmen: Am 27. Januar wurde Heinz Uth 80 Jahre alt, drei Tage später starb er nach kurzer, schwerer Krankheit. Sein Herz machte nicht mehr mit.

Mit 80 Jahren darf man sterben. Trotzdem kam es plötzlich, man hatte von diesem durchtrainierten Sportler noch viele gemeinsame Jahre erwartet. Heinz Uth hinterlässt seine Ehefrau Regina und zwei erwachsene Töchter aus erster Ehe. Und uns, die wir die letzten 25 Jahre mit ihm gekämpft und gestritten haben.

Heinz Uth war der erste Ansprechpartner bei der Berliner Polizei für gleichgeschlechtliche Lebensweisen. Als die Schwulenbewegung 1988/89 begann antischwule Gewalt zu thematisieren, gingen damit auch massive Vorwürfe gegen die Polizei einher, weil sich diese eher als Gegner verhielt denn als Partner. Viele, die Opfer teils schwerster Gewaltüberfälle wurden, erstatteten aus Angst vor der Polizei nicht Anzeige. Auf die Vorwürfe der Bewegung und Politik reagierte die Polizei hilflos oder von „oben herab“. In dieser Zeit war Heinz Uth für uns der einzige Polizeibeamte, mit dem man auf Augenhöhe reden konnte. Er hatte gerade im Wilmersdorfer Preußenpark eine Bande von „Schwulentickern“ festgenommen, die zahlreiche Überfälle zugab, die aber keinen Opfern zugeordnet werden konnten. Die Polizei fahndete nach Opfern, nicht nach Tätern.

Diese offene Art führte zu einer engen Zusammenarbeit mit Heinz Uth, sodass die Behörde ihn zum ersten hauptamtlichen Ansprechpartner ernannte. Er verglich sich gerne mit dem New Yorker Polizisten Steve Burns aus dem Film Cruising, der als Hetero in die Schwulenszene eingeschleust wurde, um einen Mörder zu finden. Für Heinz begann ein neuer Lebensabschnitt, spannend, schwierig und immer zwischen allen Stühlen: in Teilen der Schwulenszene kritisch bis ablehnend behandelt, in Teilen der Polizeibehörde kritisch bis ablehnend behandelt. Als die Polizei 1992 wieder mal eine Razzia im Tabasco durchführte und dies vorher nicht mit Uth abgestimmt hatte, ging er auf die Barrikaden. Feigenblatt wollte er nicht sein. Er bekam zusätzliche Befugnisse.

Gemeinsam mit Bastian Finke von Maneo wurden Unterrichtseinheiten für Polizei-Azubis und Fortbildungsprogramme eingeführt. Mit Burkhard da Costa (geb. Gieseler), einem der ersten geouteten schwulen Polizisten, bekam er einen Mitstreiter; der Verein der lesbischen und schwulen Polizeibediensteten gründete sich. In Schöneberg wurde zur Befriedung des Kiezes das Straßenfest organisiert – heute das größte queere Event neben dem CSD. Heinz Uth war der geistige Vater. „Wenn ihr wollt, dass die Leute euch helfen, dann müssen sie euch kennenlernen. Am besten geht das mit einem Straßenfest“, so seine Rede. Heinz war von Beginn an Mitglied des Kuratoriums des Regenbogenfonds, neben Elisabeth Ziemer, Luci van Org und Klaus Mabel Aschenneller.

Als seine Pensionierung anstand, haben der verstorbene Journalist Tom Kuppinger und ich mit Unterstützung durch Claus Nachtwey vom Referat für gleichgeschlechtliche Lebensweisen Heinz Uth zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes vorgeschlagen, das er dann auch bekam. Dass zwei linke Schwule einen Bullen für diese Ehrung vorschlugen, sagt viel über ihn, das Verhältnis zwischen uns und die Veränderungen im Umgang der ehemals Verfolgten mit den ehemaligen Verfolgern.

Nach seiner Pensionierung war er zwar noch unermüdlich engagiert, widmete sich aber auch verstärkt seiner zweiten Leidenschaft, dem Sport, und mit seiner ersten Leidenschaft Regina kaufte er ein Haus in Italien, wo sie fortan die Sommer verbrachten.

Zwischen mir und ihm entwickelte sich eine Freundschaft, in der schnell das Schwulenpolitische zweitrangig wurde. Ein wichtiger Mann ist gestorben. Er wird mir fehlen.

Jens Dobler

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