SIEGESSÄULE präsentiert

Premiere am Gorki: Salzmanns „Meteoriten“

18. Apr. 2016
© Ute Langkafel

Meteoriten sind Himmelskörper, die nach dem Eindringen in die Erdatmosphäre auf den Boden zurasen. Meteoriten sind auch die Figuren in Sasha M. Salzmanns gleichnamigen Stück – fünf einsame Menschen, die durch die Stratosphäre Berlins toben, das besoffen dem WM-Finale 2014 entgegenfiebert. Verlorene Seelen auf der Suche nach der sie einigenden Utopie, nach Sicherheit, Familie, Wohlstand, Liebe, Identität – nach einer Garantie. Udi und Roy sind ein schwules Paar, das andere Männer ausnimmt, um sich ein Eigenheim zu finanzieren. Das lesbische Paar Cato und Üzüm will den beiden ein Kind bescheren, bis Cato beschließt, sich zum Mann umwandeln zu lassen und eine Beziehung mit Serösha eingeht, einer Klemmschwuchtel, der sich nicht traut, zur Beerdigung seines Vaters nach Russland zu fahren und stattdessen in Stricherkneipen herumhängt, wo er wiederum von Udi und Roy ausgenommen wird. Das teils komisch anrührende, teils verzweifelt geschwätzige Szenario spielt sich größtenteils in einem überdimensionalen Setzbaukasten ab, einem Affenstall mit Leinwänden für Rückprojektionen, in dem die Akteure um ihr Leben und sich im Verlauf des Abends müde klettern. Oft sind es gerade diese Projektionen (Fanmeile, Pegida-Aufläufe, Selfie-Videos der Protagonisten) die mehr sagen, als das Wort vermag. Ein starkes Bild: Das schwule Paar führt als Schattenspiel einen brünstigen Verführungstanz mit dem umworbenen Freier auf. Großes Kino. Beeindruckend auch die Sequenzen, wenn die Spieler aus dem Stück heraustreten und von den Metamorphosen der griechischen Mythologie berichten, wenn sich das Theater aufreißt und sich direkt vermittelt. Vieles mag unfertig wirken an diesem Abend, aber es entsteht dadurch auch eine virile Unmittelbarkeit. Das glänzende Ensemble wird angeführt durch Mareike Beykirch, die ihrer Figur Cato auf dem Weg zur Transition eine zutiefst verletzliche Grobheit verleiht, eine manchmal verstörend kraftvolle Authentizität, und vor allem von Mehmet Atesci als betäubend schönem Stricher Roy („syrischer Auswanderer“), der lustvoll und mit vollem Körper- und Stimmeinsatz dem Wollen und Verlangen seiner Figur Fleisch und Seele gibt – und nebenher mit einer live gesungenen Ballade auch noch für einen der nachhaltigsten Momente des Abends sorgt. Starker Premierenbeifall, unbedingt sehenswert.

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