Nachruf

Prince ist tot

22. Apr. 2016
© Warnermusic

Am Donnerstag wurde der US-Musiker Prince tot auf seinem Anwesen in Minnesota aufgefunden. Er wurde nur 57 Jahre alt. Ein Nachruf von SIEGESSÄULE-Chefredakteur Jan Noll

Prince ist tot. Surreal hallen diese Worte in meinem Kopf nach, immer wieder muss ich sie aussprechen, in der Hoffnung, ihre Bedeutung möge dadurch endlich greifbar werden. Doch bleiben sie abstrakt, vielleicht auch deshalb, weil Prince längst unsterblich war. 2016 ist ein seltsames Jahr. Nach David Bowie ging nun ein weiteres Genie, das wie kaum ein anderes die Popkultur des späten 20. Jahrhunderts prägte.

Prince war eine der wenigen wirklich queeren Ikonen im Mainstreampop, brachte schon mit seinen ersten TV-Auftritten Ende der 70er-Jahre Kategorien von Männlichkeit und Sexualität zum Einstürzen, wenn er mit wallendem Haar, gekleidet in Reizwäsche, darüber sang, gerne eine lesbische Frau verführen zu wollen („Bambi“). Ein Macho in Strapsen, der vor allem auf heterosexuelle Frauen eine magische Anziehungskraft ausübte – denn er war männlicher Verführer und beste Freundin in einem. „If I Was Your Girlfriend“ lautete entsprechend der Titel eines Songs von seinem Album „Sign ’o’ The Times“ von 1987. Prince spielte mit Kategorien von Race und Gender, lange bevor der Diskurs darüber im Mainstream angekommen war.

So war auch die Zusammensetzung seiner Band The Revolution, mit der er die Meilensteine „Purple Rain“ (1984), „Around The World In A Day“ (1985) und „Parade“ (1986) einspielte, ein Zeichen gelebter Queerness: In einer Zeit, in der schwarze und weiße Musik in den USA noch bis auf einige Ausnahmen strikt getrennt voneinander existierten, kam Prince mit einer Truppe daher, die allein durch ihre Zusammensetzung bereits ein politisches Statement war: The Revolution vereinte Schwarze, Weiße, People of Color, Schwule und Lesben unter dem Banner einer musikalischen Revolution. Wie der heteronormative Rockmainstream auf diese Verstörung, auf dieses verqueerende Element reagierte, zeigte sich beispielsweise auf einem Konzert der Rolling Stones Anfang der 80er-Jahre, auf dem Prince mit seiner Gruppe im Vorprogramm spielte – und unter „Schwuchtel“-Rufen aufgebrachter Stones-Fans von der Bühne gebuht wurde. Zumindest erinnert es so Lisa Coleman, Prince Keyboarderin dieser Jahre, die neben Gitarristin Wendy Melvoin zum Herz der Band The Revolution zählte. Die beiden Musikerinnen lebten zu dieser Zeit in einer lesbischen Beziehung, wie sie später in einem Interview mit dem Magazin Out erzählten.

Obwohl Prince selber aus seiner Heterosexualität niemals einen Hehl machte, war er ein Drag-Superstar und ein Meister des Camp. Ein überspitzter, überspannter Dandy im Glitzerfummel, stöckelndes Geschöpf mit Paillette und Mascara. Er entlarvte Geschlecht als Konstruktion, die man auf unterschiedlichste Art leben und performen kann. Und allein dadurch wurde er für Generationen junger Homos und Trans*menschen zu einem Leuchtfeuer, das ihnen den Weg aus der Enge der heteronormativen Gesellschaft wies. Dafür und für seine unglaubliche Musik werde ich ihm immer dankbar sein. Prince ist tot. Meine Trauer kennt keine Grenzen.

Jan Noll

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