Eurovision Song Contest

„Love Love Peace Peace“: Ein Sieg aus Leidenschaft beim ESC

15. Mai 2016
Jamala gewinnt den Eurovison Song Contest 2016 © EBU

Nicht der smarte Schwedenboy, nicht die Limonadenlady aus Down Under und auch nicht der lockige Strahlemann aus Frankreich. Europa hat sich letzte Nacht etwas überraschend für das Lied mit einer politischen Botschaft entschieden. Die Ukrainerin Jamala setzt sich mit ihrem sperrigen Song „1944“ gegen 25 Titel durch.

Das lag vor allem an der Stahlkraft der Interpretin, die in ihrem Lied die Vertreibung ihrer Urgroßmutter aus der Krim beklagt. The Russians are not amused … So kommt es, dass um 3 Uhr nachts 2000 Fans im Euroclub zu der Elektroversion des wohl traurigsten Siegersongs der Eurovisionsgeschichte abtanzen. Wie großartig!

Die Schweden boten eine fantastische und abwechslungsreiche Show. Das lag vor allem an den Moderatoren Petra Mede und Mans Zelmerlöw und ihren ironischen Pausensnacks. Höhepunkt: Ihre Gesangsperformance „Love Love Peace Peace“ – eine mit Reverenzen an frühere ESCs gespickte Anleitung, wie der ultimative ESC-Gewinnersong zu klingen hat. Der eigentliche Sieger: das neue Wertungssystem. Versteht anfangs zwar keine Sau – aber kreiert Spannungsmomente, die dem ESC lange gefehlt haben. Als alle schon dachten, der Pott geht an Australien – plopp: aus die Maus! Im Übrigen hätte in diesem Fall eines der Big-5-Länder den ESC 2017 ausgetragen. Und außerdem: Wer hat für diesen Aushilfs-d'Artagnan aus Polen angerufen, der beim Publikumsvoting auf Platz 3 landete? Der Contest ist und bleibt eben ein Überraschungspaket. Gut so, auch wenn die Musikauswahl insgesamt Mittelmaß bot.

Am Ende hieß es: Russland oder Ukraine. Brisante Kiste! Ob der ESC 2017 tatsächlich in Kiew stattfinden kann, liegt wahrscheinlich in den Händen wohlhabender Oligarchen. Letztes Jahr musste der ukrainische Sender NTU aufgrund der angespannten politischen und finanziellen Lage schon die Teilnahme für Wien absagen. Wie das Land ein Megaevent wie den ESC stemmen soll, ist daher fraglich. Aber wo ein Wille ist, ist meist auch ein Geldgeber.

Sascha Osmialowski

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