Politik

Kritik am Berliner Masterplan für Integration

30. Mai 2016
LSVD-Geschäftsführer Jörg Steinert bei der IDAHOT-Kundgebung „Vielfalt ist grenzenlos“ am 17.05. © Tatjana Mayer

Der vom Berliner Senat beschlossene „Masterplan Integration und Sicherheit“ ist ein Schritt in die richtige Richtung, findet der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg (LSVD). Die in dem Programm genannten Maßnahmen zum Kampf gegen Homophobie und zur Akzeptanz von homosexuellen und trans* Menschen seien jedoch oft zu unkonkret und zu unverbindlich. SIEGESSÄULE-Autor Andreas Marschner hat darüber mit LSVD-Geschäftsführer Jörg Steinert gesprochen

Allein im vergangenen Jahr hat Berlin 80.000 geflüchtete Menschen aufgenommen. 50.000 davon werden derzeit im Land Berlin versorgt. In diesem Jahr rechnet der Senat damit, dass er in etwa der gleichen Größenordnung Flüchtlinge versorgen und unterbringen muss. Aus Flüchtlingsunterkünften werden immer wieder homophobe Übergriffe gemeldet. Dieses Problem soll jetzt offensiv angegangen werden mit dem Masterplan Integration.

Jörg, wie ist der Plan eigentlich zustande gekommen?
Der Senat hat einen Prozess gewählt, der grundsätzlich zu begrüßen ist. Er hat einen eigenen Vorschlag gemacht und dann der Zivilgesellschaft durch Fachgespräche ermöglicht, Veränderungsvorschläge einzubringen. Viele Vorschläge, die wir bei einem Treffen mit Integrationssenatorin Dilek Kolat unterbreitet haben, wurden jedoch nur halbherzig aufgegriffen.

Kannst du Beispiele nennen …
Das Thema „Kampf gegen Homophobie“ war zwar von Anfang an in der Vorlage des Senats enthalten. Jedoch beschränkt sich der Senat bei den Integrationslotsen, die geflüchtete Menschen unterstützen, nur auf bestimmte Zusatzqualifizierungen. Wir finden allerdings, alle Lotsinnen und Lotsen sollten in der Lage sein, mit homosexuellen und transgeschlechtlichen Flüchtlingen respektvoll umzugehen. Das Thema muss ein wesentlicher Qualitätsstandard sein.

Welche Qualifikationen sind für Sprachmittler vorgesehen?
Für die Sprachmittler steht im Masterplan nur, dass nach der Testphase für die Integrationslotsen geprüft wird, ob man die Zusatzqualifizierung auch auf die Sprachmittler überträgt. Und gerade bei den Sprachmittlern haben wir in den letzten Monaten am LAGeSo (Landesamt für Gesundheit und Soziales) immer wieder sehr negative Erfahrungen gemacht. Da haben arabische Sprachmittlerinnen nicht korrekt übersetzt, sondern homosexuelle und transgeschlechtliche Flüchtlinge regelrecht verhört und offen diskriminiert. Und wir finden, es kann nicht sein, dass Sprachmittler, die sich so verhalten, weiterhin eingesetzt werden – schon gar nicht dann, wenn sie vom Staat finanziert werden.

Warum sind die Sprachmittler so wichtig?
Sie werden dringend gebraucht, damit die Menschen ihr Recht einfordern können. Dass etwa im Asylprozess all ihre Fluchtgründe Beachtung finden. Aber auch, dass ihre psychologische und medizinische Situation sensibel berücksichtigt wird.

Wie sieht es mit der Qualifikation des Sicherheitspersonals in Flüchtlingsunterkünften aus. Werden da Maßnahmen im Masterplan genannt?
Die Integrationsverwaltung hat angekündigt, dass das Sicherheitspersonal in Bezug auf Rassismus sensibilisiert wird. Wir fordern außerdem eine Schulung des Sicherheitspersonals zu den Themen Homophobie und Transphobie. Homophobe und transphobe Äußerungen haben unsere Ehrenamtlichen bei Begleitdiensten mehrfach beobachtet. Hier gibt es inzwischen eine erste mündliche Absichtserklärung aus der Integrationsverwaltung.

In Bezug auf die Masterplan-Kapitel „Werte- und Normenvermittlung“ und „Gewaltschutz für geflüchtete LSBTI“ fordert der LSVD, dass beispielsweise in den Sprach- und Integrationskursen verbindlich auf das Grundrecht zur sexuellen Selbstbestimmung hingewiesen wird …
Wir wollen, dass das ein grundsätzlicher verpflichtender Teil in diesen Kursen ist. Des Weiteren sollten im Masterplan praktische Maßnahmen genannt werden, etwa dass in Flüchtlingsunterkünften Beratungsflyer ausliegen und dass das Thema durch Plakate sichtbar gemacht wird. Das machen viele Flüchtlingseinrichtungen schon, vor allem die der Arbeiterwohlfahrt. Aber die Vorstellungen und Vorgaben des Senats dazu könnten konkreter sein.

Und was ist mit dem Gewaltschutz für LGBTI-Flüchtlinge?
Der Senat stellt allgemein fest, dass er zum Beispiel die psychosoziale Erstberatung und Antigewaltberatung weiter stärken will. Wenn aber die einzelnen Maßnahmen aufgezählt werden, die konkret durchgeführt werden sollen, dann heißt es im Masterplan nur, dass man Instrumente zur Identifizierung von LSBTI-Geflüchteten entwickeln will. Wir brauchen aber konkrete Hilfsangebote.

Siehst du eine Chance, eure Vorstellungen noch im Plan unterzubringen?
Wir sind im Dialog mit den politisch Verantwortlichen und der Verwaltung. Es dürfte allerdings schwierig werden, diese Forderungen jetzt noch in den beschlossenen Plan einzubringen. Aber wir bleiben hartnäckig.

Interview: Andreas Marschner

lsvd.de

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