Berlin for Orlando

Blick zurück: „Wenn es eng wird, hält die Community zusammen“

21. Juni 2016
„Genau der richtige Zeitpunkt“: Margot Schlönzke und Ryan Stecken haben die Mahnwache „Berlin for Orlando“ ins Leben gerufen © Brigitte Dummer

Tränen, Songs und Schweigen. Für Tausende war die Mahnwache „Berlin for Orlando“ genau der richtige Ort und die richtige Art, Solidarität mit den Opfern des Attentats und ihren Angehörigen zu zeigen

Am letzten Samstag gedachten Tausende Menschen bei „Berlin for Orlando“ der Opfer des schrecklichen Attentats in Orlando, bei dem 49 Menschen starben und weitere 50 verletzt wurden. Offenbar trafen die InitiatorInnen Ryan Stecken und Margot Schlönzke mit ihrer Veranstaltung genau die Bedürfnisse der Community, die an diesem Abend ihre Trauer und ihre Solidarität, aber auch ihren inneren Zusammenhalt demonstrieren konnte. Wir wollen mit den beiden auf das Ereignis zurückblicken

Ryan, du hast im Vorfeld eurer Veranstaltung gesagt, dass die kurzfristig anberaumten Gedenkveranstaltungen bereits am Montag nach dem schrecklichen Ereignis zwar wichtig aber für viele eher unerreichbar waren. Du wolltest eine Chance für die Community, gemeinsam zu trauern. Hat sich dieser Wunsch für dich erfüllt?
Ryan:
Der Wunsch hat sich glaube ich mehr als erfüllt. Ich wäre schon mit den angedachten 250 Teilnehmern glücklich gewesen. Was wir am Samstag erlebt haben, war ein Zusammenkommen der Community, das ich so noch nie erlebt habe. So ein Zusammenhalt, so eine Ehrlichkeit. Das Bild von 6.000 schweigenden Menschen und anschließend das aus 6.000 Kehlen klingende „Somewhere Over the Rainbow“ mit brennenden Kerzen und wehenden Regenbogenfahnen werde ich niemals vergessen.  

Margot, mit einem Brief an die Senatskanzlei hast du dafür gesorgt, dass das Brandenburger Tor in Regenbogenfarben erleuchtet wird. Das „Jetzt ist es zu spät“-Geschrei war relativ groß.
Margot:
49 Menschen sind bei einem homophoben (und transphoben?) Terrorakt ums Leben gekommen. Es ist nie zu spät, an die Opfer zu erinnern und um sie zu trauern und wir werden uns hoffentlich noch lange an sie erinnern. Vielleicht war genau dieser Samstag – eine Woche nach dem Anschlag – um 21 Uhr, kurz bevor das Berliner Nachtleben wieder startet, genau der richtige Zeitpunkt dafür. Das Attentat hat uns nicht zufällig, sondern ganz gezielt in einem unserer Schutzräume getroffen. Dieses hätte auch in jeder anderen Community-Einrichtung, jedem Community-Club der Welt passieren können, auch in Berlin. Vielleicht war es daher ganz richtig, dies uns allen genau an diesem Samstag mit auf den Weg zu geben. Ich bin erleichtert, dass die Senatskanzlei sehr kooperativ gezeigt und das ganze ermöglicht hat. Die Kritiker können das nicht schmälern.

Nach welchen Kriterien habt ihr den Ablauf auf der Bühne zusammengestellt?
Ryan:
Nach Gefühl. Das einzige, was uns wichtig war, war der Community-Aspekt und dass es wirklich nur um die Opfer ging, weswegen wir bewusst Reden von Politikern ausgeschlossen haben.

Als ihr bemerkt habt, dass der Zuspruch wesentlich größer war, als ihr erwartet habt, was dachtet ihr da?
Margot:
Ich glaube, der erste Satz war: „Wir haben ein Problem.“ Wie groß das Problem war, sahen wir am Morgen, nachdem wir die Veranstaltung ins Leben gerufen haben. Statt der erhofften 250 Personen, hatten bei Facebook schon über 2.000 zugesagt und es wurden immer mehr und mehr. Das überstieg nicht nur unsere Erwartungen, sondern auch unsere Möglichkeiten. Mit 100 Kerzen, dem kleinen angedachten Lautsprecher und der Bierkiste als Bühne wären wir hoffnungslos verloren gewesen. Uns wurde klar, wir werden sehr viel Geld in die Hand nehmen müssen, um das halbwegs vernünftig und würdig umzusetzen. Mit wachsender Teilnehmerzahl wuchsen aber auch die Unterstützer und Helfer. Zeitweise kamen wir beim Beantworten der ganzen Hilfsangebote nicht mehr nach. Irgendwie lösten sich alle wachsenden Sorgen und Probleme auf einmal in Luft auf, weil es immer irgendwen aus der Community gab, der helfen konnte oder wen kannte ... Am Ende war uns klar, trotz aller Zankereien und Streitigkeiten: wenn es eng wird, hält die Community zusammen. Wir haben den Stein nur ins Rollen gebracht. Das was dann daraus wurde, ist aus der Community erwachsen.

Wie fühlt ihr euch jetzt?
Margot: Lass mich überlegen... Wir haben mit tausenden Menschen bei Kerzenlicht auf dem Pariser Platz „Somewehre over the Rainbow“ gesungen, geweint, das Brandenburger Tor in den Farben des Regenbogens erstrahlen lassen und damit ein Bild geschaffen, dass bis nach Orlando und darüber hinausging, einen Pressewirbel ausgelöst und diverse Projekte, die die Veranstaltung plötzlich für sich in Anspruch nehmen wollen.
Ryan: Wir wissen noch gar nicht, wie wir uns fühlen. Wir haben bis jetzt noch nicht ganz verarbeitet, was da passiert ist.

Interview: Christina Reinthal

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