Bühne

Ab heute: „Frutas Afrodisíacas“ im Gorki und Ballhaus Naunynstraße

23. Juni 2016

Queeres Erbe als tropischer Frucht-Cocktail: „Frutas Afrodisíacas“ betrachtet die Westberliner Tuntenbewegung der 80er durch die lateinamerikanischen Brille

Dank einer Co-Produktion läuft die bunte Performance diese Woche gleich an zwei Spielstätten: im Studio Я des Gorki-Theaters und im Ballhaus Naunynstraße. Im Vorfeld hat das Ensemble unter anderem im Archiv der SIEGESSÄULE recherchiert. Kurz vor der Premiere sprachen wir mit den Frutas Afrodisíacas, wie sich die Gruppe ab jetzt nennt

Worauf darf sich euer Publikum freuen?
Wir kreieren eine interdisziplinäre Multimedia-Performance, die an beiden Spielorten, also sowohl im Gorki als auch im Ballhaus Naunynstraße, rund um die Bar spielt. Wir werden praktisch das Kreuzberger Café Anal aus den 80er- und frühen 90er-Jahren wiederauferstehen lassen – und mit ihm die Tunten-Szene dieser Zeit, das ganze aus lateinamerikanischer Perspektive – einfach weil unser Kollektiv überwiegend aus Brasilien und Kolumbien stammt.

Ihr seid alle Anfang bis Mitte dreißig, das Anal und die Tuntenszene dieser Zeit habt ihr selber nicht erlebt. Woher rührt euer Interesse?
Einige von uns sind erst einige Jahre in Berlin und kannten die 80er-Jahre und den Kampf um Aids fast nur aus amerikanischer Perspektive. Wir wollten deshalb herausfinden, was sich hier damals abgespielt hat. Zunächst stießen wir auf Melitta Sundström, die bekannteste Persönlichkeit aus der Zeit. Durch stöbern im Archiv der SIEGESSÄULE stießen wir dann auf ihre Theatergruppe Ladies Neid und ihre Mitstreiterinnen Melitta Poppe, Ichgola Androgyn und Tima die Göttliche.

Habt ihr sie bei den Vorbereitungen für das Projekt mit eingebunden?
Sie haben uns ihre Türen und Herzen weit geöffnet! Tima sagte, sie sei glücklich und überrascht, dass junge Leute heute ihre Geschichte als queeres Erbe wahrnehmen. Auf Videos zeigen wir altes Material, das sie uns zur Verfügung gestellt haben. Und an anderer Stelle sprechen sie dort Texte aus unseren eigenen Biografien – während wir umgekehrt auf der Bühne Texte von ihnen verwenden.

Also ein generationsübergreifender Austausch?
Ja, als wir mehr über die 80er und ihre Kämpfe erfuhren, waren wir erstaunt, wie sehr sie doch unseren Erfahrungen ähneln. Wir glauben deshalb, dass unsere lateinamerikanische Sicht auf die Dinge sehr fruchtbar ist. Es ist ja leider normalerweise so, dass man von uns auf der Bühne erwartet, nur unsere eigenen Themen zu behandeln. Wir leben aber jetzt hier in Berlin und sind deshalb froh, dass wir uns der deutschen Geschichte widmen können, wenn auch aus unserer eigenen queeren Perspektive der „Frutomania“.

Was genau ist das? Ein Obstsalat?
So in etwa. „Fruta“ ist in Brasilien ein Schimpfwort für Schwule, das wir uns lustvoll aneignen. Wir feiern die Weiblichkeit – und das ganz bewusst als Gruppe. Ein Fruchtsalat nur aus Mango schmeckt ja auch nicht so gut wie einer, wo noch Passionsfrucht, Ananas und Melone drin ist.

Laura Paetau hat zusammen mit Anne Lenz das Buch „Feminismen und  ‚Neue Politische Generation‘“ geschrieben. Jetzt ist sie die Dramaturgin dieses sehr queeren Projektes. Wie kam es dazu, Laura?
Mein feministischer Ansatz hat sich nach und nach der queeren Perspektive angenähert. Ich glaube, dass man unsere Probleme, Kämpfe und Identitäten nicht voneinander trennen sollte. Es geht beim Projekt ja nicht nur einfach nur um Gender oder sexuelle Orientierung, sondern darum, gemeinsam unsere Grenzen auszuweiten. Und als Feministin Teil dieser Frutomania zu sein, ist ein sehr fruchtbarer Austausch.

Frutas Afrodisíacas, 23./24.06, 20:30, Gorki-Theater, Studio Я, 25./26.06, 19:00, Ballhaus Naunynstraße

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