Kommentar

Jeder Zirkus hat seinen Clown! Jim Baker über Donald Trump

24. Juli 2016
Bild: Pavol Putnoki

Quer-Verleger Jim Baker über den Politikstil Donald Trumps und die Ursachen für seinen Erfolg

Mitleidige Blicke, egal, wo ich zurzeit hingehe. In Berlin schauen mich alle an und fragen teils besorgt, teils belustigt: „Jim, kannst du als Amerikaner mir bitte, bitte, bitte mal erklären: Meinst du, Donald Trump hat nun wirklich Chancen, Präsident zu werden?“ Tja, wie kann man das Phänomen Trump jemandem erklären, der nicht in den USA groß geworden ist oder dort zumindest länger gelebt hat? Hier mein Versuch:

Etwas verbindet viele Amerikaner mit vielen Italienern: ein tiefsitzendes, jede Logik entbehrendes und unerklärlich emotionales Grundmisstrauen gegenüber der Regierung und der „politischen Klasse“. Wo Deutsche eher dazu neigen, für das viele Steuergeld, das sie ja zahlen, entsprechend viel von der Regierung zu erwarten, zeigen sich die meisten Amerikaner im günstigsten Fall kopfschüttelnd skeptisch, im schlimmsten Fall rabiat Verschwörungen witternd, sobald irgendwas aus Washington zum Volk durchdringt. Kommt es aus D.C., kann es nichts Gutes sein.

Letztens auf einer Familienfeier vertraute mir mein Onkel an: „Weißt du, alle haben in diesem Land eine Lobby. Latinos, Schwule, Schwarze, Behinderte, Frauen. Nur eine Gruppe hat heute in Amerika keine Stimme mehr: Wir! Wir weiße, christliche, heterosexuelle Männer aus der Mittelschicht!“ Die Ironie meiner Antwort („Keine Lobby? Eure Lobby nennt sich doch der Kongress!“) hat mein Onkel natürlich mit einer schnellen Handbewegung beiseitegeschoben und weiterhin in Nostalgie geschwelgt, als „die Welt noch in Ordnung war“. Dabei meinte er natürlich die 50er- und 60er-Jahre, als „seine“ Welt durchaus in Ordnung war, denn er war weiß, protestantisch, männlich, heterosexuell – vier Adjektive, die einen Großteil der Wähler von Donald Trump treffend beschreiben. Eben deswegen kommt der Slogan: „Make America Great Again“ natürlich ausgerechnet bei solchen Männern gut an, die sich allzu gern endlich wieder als Gewinner fühlen wollen.

Aber in diesem Austausch zeigt sich eine Grundtendenz hinter Trumps Erfolg: „Wir“ haben keine Stimme mehr. „Die“ werden bevorzugt. Und nach acht Jahren Obama (der nicht nur nicht weiß ist, sondern sogar aus Kenia kommt) haben „wir“ erst recht keine Lust auf Antworten des Establishments mehr! Und Donald Trump bezeichnet sich ja gern als „straight shooter“ (und Waffenmetaphern funktionieren in meinem Heimatland ja immer – vor allem bei Republikanern!), der die Nase voll hat von der „politischen Korrektheit“ (z. B. Rücksicht auf andere wegen Hautfarbe, Herkunft und Glaubensbekenntnis) und dem „Genderwahnsinn“ (z. B. Rücksicht auf alles, was keinen Schwanz hat) der „Idioten aus D.C.“.

Redet Trump in den Talkshows und bei den Wahlkampfauftritten wie ein Politiker? Richtig! Er ist auch keiner, sondern ein „selfmade business man“ (auch wenn er dieses Etikett zusammen mit den Milliarden nur geerbt hat), aber, hey!, was Wahrheit und Fakten sind, das bestimme schließlich ich! Und wehe, du stellst mir Fragen dazu, dann muss ich dich sofort mundtot machen, indem ich dich beschimpfe als „Betrügerin“ (Hilary Clinton), „einen Witz“ (Die New York Times), „der Kleine“ (Marco Rubio), „Langweiler“ (Jeb Bush), „völlig überbewertet“ (Fox-Journalistin Megan Kelly), „schwach“ (Barack Obama) oder sogar „Mexikaner“ (Gonzalo Curiel, Amtsrichter, der zuständig ist für die Klage gegen Trump-University).

Schon seit Theodore Roosevelts berühmter Devise „walk softly and carry a big stick“ (leise (auf)treten und eine große Keule schwingen) kommt so ein Politikstil bei vielen Amerikanern gut an – auch wenn das Roosevelt-Zitat inzwischen mutiert ist zu „walk tall and carry a big stick“ (stolz (auf)treten und eine große Keule schwingen). Dass Trumps „große Keule“ extrem viel Kollateralschäden verursacht, hat die republikanische Partei längst begriffen. Doch ihre Wählerbasis (in den Vorwahlen immerhin über 13 Millionen Menschen) scheint sich nicht daran zu stören. Ganz im Gegenteil: Sie fiebern allzu oft solchen Momenten entgegen, wo Trump einen Gegner in bester Schulhofmanier verbal polterig niedermäht. Die Medien wissen: Solche Momente sichern Einschaltquoten und folglich Werbeeinnahmen, und der ganze Zirkus läuft dann in Endlosschleife – und das inzwischen auf sämtlichen Kanälen von Twitter bis National Public Radio. Der Trost: Spätestens Anfang November wird es endlich ein Ende haben.

Aber ob Trump wirklich Chancen hat, 2017 ins Weiße Haus einzuziehen? Vor einem Jahr, als der Vorwahlprozess gerade angefangen hat und 15 Männer und eine Frau ihre Wahlkampfkampagne auf das höchste Amt im Land lanciert haben, hätte ich es nie für möglich gehalten, dass so ein Clown wie Donald Trump tatsächlich das Rennen machen würde. Doch eins haben wir ja von über 15 Jahren Berlusconi-Regierung gelernt: Jedes Land bekommt das Oberhaupt, das es verdient hat.

Jim Baker

Folge uns auf Instagram

Das Siegessäule Logo
Das Branchenbuch mit Haltung
Queer. Divers. Überzeugend.