Bühne

Tanz im August: „Die Zukunft wird unvermeidlich queer“

9. Aug. 2016
niv Acostas Choreografie „Discotropic“ ist bei Tanz im August zu sehen © Maria Baranova

Alljährlich zeigen internationale und Berliner Choreografinnen und Choreografen ihre Projekte bei Tanz im August. Auch in diesem Jahr wartet das Festival mit queeren Themen auf

„Die Zukunft wird unvermeidlich queer sein, da bin ich ganz ideologisch“, betont niv Acosta gegenüber SIEGESSÄULE. Seine Performance „Discotropic“ ist nicht nur von Queer Politics, sondern auch vom sogenannten Afrofuturismus beeinflusst und setzt sich kritisch mit den rassistischen Darstellungen schwarzer Körper in den Medien auseinander. Dafür lässt er seine Performerinnen und Performer den provokanten Tanzstil Twerking, also kreisende, ruckartige Hüftbewegungen, bis zur Erschöpfung repetieren: Arschwackeln bis zum Umfallen – als Aneignung und Dekonstruktion der mit dem schwarzen Hip-Hop assoziierten Geste. „Twerking sehe ich als Form des Widerstands, als einen bewussten, politischen Akt, der gerade in seiner meditativen Wiederholung sehr befreiend wirkt“, sagt Acosta, der aus der Voguingszene kommt: „Im Kontext von black und queer haben wir dort einen Ort gefunden, wo wir wir selbst sein können, Solidarität und Inspiration finden. Und unsere Queerness feiern können.“ Ursprünglich für die Aufführung im Museum entwickelt, überträgt Acosta die Atmosphäre einer Club- und Undergroundperformance nun in den Theaterraum.

Auch „MDLSX“ spielt mit der Ästhetik des Club-Lebens. Silvia Calderoni thront wie eine Priesterin hinter ihrem DJ-Pult – als Verkünderin eines Kults der fluiden Geschlechteridentitäten: „MDLSX" überschreitet, unterläuft und verwischt Gender-Grenzen, führt sie letztlich ad absurdum. Es ist eine Mischung aus Biografie und Fiktion, Theorie, Indiemusik und Homevideos, eine Suche nach einer neuartigen Form von Identität – im Mittelpunkt steht dabei die schillernde Performer*in selbst. Silvia Calderoni, die seit zehn Jahren der radikalen italienischen Theaterkompanie Motus angehört, experimentiert in „MDLSX“ mit DJing als Theaterformat und macht das HAU3 so zu einem verschworenen Club, in dem neue Grenzen ausgelotet werden.

Wie so oft erweisen sich die kleineren Spielstätten als die Orte, wo Soloperformerinnen und -performer die volle Freiheit genießen und ihre Lust am grenzüberschreitenden Experiment ausleben können. So wird auch Dana Michels „Mercurial George“ im HAU3 aufgeführt. In ihren gefeierten Performances erforscht Dana Michel die unendliche Vielfalt menschlicher Identität: Zur Unkenntlichkeit verlangsamt, in groteske Körperformen gebogen oder völlig in sich versunken, ähnelt die Performerin einem unirdischen Wesen. Neben den oft queeren kleineren Formaten ermöglicht ein höherer Etat dem Festival ab diesem Jahr auch eine größere Zahl an aufwendigeren Produktionen. So ist wieder die vielköpfige Compagnie des Cullberg Ballets eingeladen, diesmal mit der technisch anspruchsvollen und doch minimalistischen Choreografie „Figure at Sea“. Und gleich zu Beginn des Festivals sorgt das belgische Theaterkollektiv „Peeping Tom“ für das erste große Highlight: „32 rue Vandenbranden“ spielt in dem hyperrealistischen Bühnenbild eines verschneiten Trailerparks. Fünf Tänzerinnen und Tänzer und eine Sopranistin agieren in diesem instabilen, surrealen Universum unter ganz eigenen Gesetzen von Zeit und Raum – und führen uns so in eine isolierte Welt der Albträume, Ängste und Begierden.

Carsten Bauhaus

SIEGESSÄULE präsentiert: Tanz im August, 12.08.–04.09., Akademie der Künste (Hanseatenweg), HAU1, HAU2, HAU3, Haus der Berliner Festspiele, Radialsystem V, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Sophiensaele, Uferstudios

tanzimaugust.de

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