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Let's Talk About Sex and Drugs

25. Sept. 2016
© Emmanuelle Contini

Seit dem Frühjahr gibt es in Berlin mit „Let’s Talk About Sex and Drugs“ eine Veranstaltungsreihe, bei der sich Menschen über ihre Erfahrungen mit Chemsex austauschen können. Nach der Sommerpause geht es jetzt weiter

Ende 2015 erschien die von zwei (heterosexuellen) Journalisten gedrehte Filmdoku „Chemsex“, die über drei Jahre mehreren schwulen Männern – Patienten der Londoner HIV-Ambulanz 56 Dean Street – gefolgt war und dem Phänomen des sexualisierten Drogengebrauchs in der schwulen Szene Gesichter und einen griffigen Namen gab. Der Film erzeugte damit eine öffentliche Aufmerksamkeit, die in der Szene nicht nur auf Begeisterung stieß, sondern von einigen auch als Angriff des heterosexuellen Mainstreams auf schwule Männer und ihre hart erkämpften sexuellen Freiheiten empfunden wurde. Die Hauptfigur des Films ist David Stuart, der Manager der Chemsex-Klinik in der Dean Street.

Davids eigene Karriere mit Sex und Drogen in der schwulen Szene endete vor zehn Jahren mit seiner Verhaftung. Anschließend begann er, sich zu engagieren und Chemsex-Kliniken in verschiedenen HIV- und Suchtambulanzen aufzubauen. Er organisiert Konferenzen und Workshops zu Chemsex, bildet andere aus und organisiert, zusammen mit dem Journalisten Pat Cash, seit einigen Jahren die Veranstaltung „Let's Talk About Gay Sex and Drugs“, ein Community-Forum in Form eines offenen Mikrofons – ein sicherer Raum, wo Menschen undogmatisch und vorurteilsfrei über ihre persönlichen Erfahrungen mit Sex und Drogen sprechen können.

„Ich möchte, dass die Community bei dem Thema in der Zusammenarbeit und im Dialog mit den Gesundheitsdiensten die Führung übernimmt. Es ist unser Thema, und wir sollten die Initiative und Deutungshoheit nicht einfach den Mainstreamdiensten und -medien überlassen", beschreibt David im Interview mit SIEGESSÄULE eine wesentliche Motivation für diese Veranstaltung.

Dr. Martin Viehweger ist ein Berliner HIV-Schwerpunktarzt. Er lernte David im letzten Jahr auf einer Konferenz in London kennen, wo er auch die Veranstaltung „Let's Talk About …“ besuchte. Das Konzept begeisterte ihn so, dass er beschloss, die Veranstaltung nach Berlin zu holen. Im Frühjahr fanden zwei Ausgaben im Horns & Hooves im Prenzlauer Berg statt, die er zusammen mit der Dragqueen Pansy organisierte und hostete.

„Pansy ist großartig mit ihrem Witz und ihrer Sensibilität“, erzählt Martin. „Sie fesselt die Leute und geht sehr einfühlsam und kenntnisreich mit dem Thema um. In Zukunft möchten wir noch den Performance-Aspekt der Veranstaltung stärken, sodass zwischen den Wortbeiträgen und persönlichen Geschichten mehr Show, Drag und Musik stattfinden können", beschreibt Martin die weiteren Pläne. „Am Anfang hatte ich Zweifel, ob das in Deutschland auch laufen würde“, berichtet Pansy, „aber unsere ersten beiden Abende mit 30 bis 70 Teilnehmern haben mich überzeugt, dass es sehr gut angenommen wird. Wir nennen die Veranstaltung ,Let's Talk About Sex and Drugs’, weil sie für die gesamte queere Community da ist. Es ist keine Therapiegruppe und ersetzt auch keine Therapie, sondern sie ist ein sicherer Rahmen, in dem Menschen ihre Erfahrungen mit Drogen und Sex miteinander teilen können. Ein wichtiger Aspekt des Abends ist aber nicht nur das, was auf der Bühne geschieht, sondern die persönlichen Kontakte und Gespräche, welche sich vorher und nachher ergeben.“ Als neue Location wurde nun das zentraler gelegene Musik & Frieden an der Oberbaumbrücke auserkoren, um noch mehr Leute abzuholen.

Die Veranstaltung ist, wie in London, eine Reaktion auf die steigende Zahl von MSM (Männern, die mit Männern Sex haben), welche in ärztlichen Praxen und Beratungsstellen zum Thema Partydrogen und den Folgen Hilfe suchen, sowie die Zunahme an HIV- und Hepatitis-C-Infektionen und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten. Es sind eben nicht nur schwule Männer betroffen, wie sich nach den ersten Abenden gezeigt hat.

Mittlerweile gibt es ein breites Angebot für queere Menschen, die zu den Themen Sex und Partydrogen Beratung, Hilfe oder einfach nur das Gespräch suchen. Das reicht von „Let's Talk About …“ über die offenen Gruppen der Schwulenberatung, die anonymen Gruppen für Alkoholabhängige, Drogennutzer und sexuell Zwanghafte bei Mann-o-Meter sowie die englischsprachige Gruppe Crystal Meth Anonymous in der Berliner Aids-Hilfe bis hin zu den strukturierteren Gesprächs- und Therapieangeboten der Beratungsstellen.

„Let's Talk About Sex and Drugs“ ist zweisprachig (deutsch/englisch) und findet am Mittwoch, den 28. September, ab 20:00 statt (Einlass: 19:00). Der Eintritt ist frei, die Veranstaltung finanziert sich über Spenden. Die gesamte Community ist willkommen und kann mit Wort- oder Showbeiträgen teilnehmen.

Jan Großer

Let’s Talk About Sex and Drugs, 28.09., 20:00, Baumhaus Bar im Musik & Frieden

facebook.com/LetsTalkAboutSexAndDrugs

Weitere Angebote zum Thema unter:
schwulenberatung.de
berlin-aidshilfe.de
mann-o-meter.de

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