Filmcheck der Woche

Hymne an einen Penis: „Théo & Hugo"

17. Okt. 2016
© Salzgeber

Gleich zu Beginn gönnen die Regisseure Olivier Ducastel und Jacques Martineau ihrem Publikum ein danteskes Inferno der Lüste. Fast 20 Minuten gibt es nichts als Sex und nackte Körper, lustvolles Gerangel und Gestöhne, die pure schwule Lust. Inmitten dieser Orgie treffen sich immer wieder die Blicke von Théo (Geoffrey Couët) und Hugo (François Nambot). Jeder vergnügt sich zunächst auf seine Weise, der eine mitten im Geschehen, der andere vorerst beobachtend. Sie finden zueinander, treiben es miteinander im Gewühl und sind doch ganz für sich, was auch im Bild sehr stimmig umgesetzt ist. Erst vereinigen sich ihre Leiber, dann ihre Seelen. Sie werden die restlichen Stunden dieser einzigartigen Nacht zusammen verbringen.

Manche Szenen wirken so, als seien die beiden allein auf der Welt, im nächtlichen Paris. Es kommt zur Liebeserklärung, geradezu einer Hymne an einen Penis („Ich finde, man kann sich in einen Schwanz verlieben"), und gleichzeitig wird die universelle Bedeutung der kürzlich stattgefundenen Vereinigung gepriesen. Doch die war nicht safe, wie sich herausstellt.

Was folgt, ist ein kleines Drama, denn Hugo ist HIV-positiv und ein Kondom war nicht im (Liebes-)Spiel. Die beiden gehen in ein Krankenhaus. Meisterhaft umgesetzt, wie sie die Ernüchterung einholt nach dem sexuellen Rausch und der nächtlichen Romantik. Eine Ärztin klärt sachlich über das eingegangene Risiko auf und darüber, was gegen eine mögliche Infektion unternommen werden kann. Die Sequenz über HIV und PrEP wirkt einen Tick zu didaktisch, auch wenn es geschickt ist, die unsanfte postekstatische Landung mit expliziten Bildern vorzubereiten.

Doch die nächste Wendung in der Handlung lässt nicht auf sich warten. Wieder im Freien erfahren die beiden Jungs immer mehr vom anderen, streben auseinander, kommen wieder zusammen, und es entsteht die Hoffnung, dass diese Liebe tatsächlich noch wachsen könnte. Begehren, Erlösung, Zweifel, Angst, Anziehung und Abstoßung. Man schaut den beiden Schauspielern gerne zu, zumal sie einer Reihe toller Nebenfiguren begegnen: Einer Dame in der Metro oder einem Imbissbetreiber, geboren in Syrien, die alle ihre Kommentare zum Leben und zur Liebe beisteuern. Sehr europäisches Kino mit Charme.

Frank Hermann

Théo & Hugo, F 2016 Regie: Olivier Ducastel, Jacques Martineau, mit Geoffrey Couët, François Nambot, ab 20.10. im Kino

SIEGESSÄULE präsentiert:
27. Lesbisch Schwule Filmtage Hamburg, 18.–23.10., Filmpräsentation: Théo & Hugo, 20.10., 20:00, Metropolis
Preview bei MonGay, 19.10., 22:00, Kino International

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