SIEGESSÄULE präsentiert

Mondgroom bei „Frau Luna“: „Eineiige Zwillige, bei der Geburt getrennt“

29. Nov. 2016
Ades Zabel und Fausto Israel spielen im Wechsel die Rolle des Mondgroom in „Frau Luna“ im Tipi © Brigitte Dummer

Seit einem Monat läuft die Erfolgsproduktion „Frau Luna“ im Tipi. Bisher spielte Ades Zabel die Rolle des Mondgroom. Nun muss er zurück ins BKA für seine Weihnachtsshows und Fausto Israel übernimmt

Ende Oktober war Premiere und seitdem spricht die ganze Stadt von „Frau Luna“. Regisseur Bernd Mottl und eine atemberaubende Besetzung aus Stars wie den Geschwistern Pfister, Anna Mateur, Pigor & Eichhorn, Gustav Peter Wöhler und vielen anderen machen Paul Linckes eher eindimensionale Operette zu einem grandiosen Glitzer-Erlebnis. Eine Rolle wurde dabei doppelt besetzt: Der Mondgroom hat zwei Gesichter. Ades Zabel spielt bisher die kleine aber feine Rolle, nun ist er anderweitig verpflichtet: Er steht ab jetzt wieder als Edith Schröder in der traditionellen Weihnachtsshow „Wenn Ediths Glocken läuten“ auf der Bühne des BKA-Theaters. Für ihn übernimmt Fausto Israel alias Kelly Heelton. SIEGESSÄULE-Chefredakteurin Christina Reinthal sprach mit den beiden über die gemeinsame Probenarbeit, das Team und ihre Rolle

Wie war die Premiere für Euch?
Ades: Aufregend! Und lustig.
Fausto: Ich fand es witzig. Ich habe ja nicht gespielt, saß im Publikum und habe alle Texte innerlich mitgesprochen und die Lieder mitgesungen. Es ist toll, das so von außen anzusehen, sich einerseits komplett davon zu trennen, gleichzeitig aber auch nicht, sondern mit den Darstellern alles mitzusprüren und zu wissen „Jetzt kommt der Wow-Moment“ und „Oh, ja, das hat funktioniert“. Das war auf jeden Fall aufregend.

Und wie war es für dich, Ades?
Ades: Ja, ich konnte mir ja auch eine Hauptprobe anschauen. Da war jetzt kein Publikum, aber ich kann mir das sehr gut vorstellen, dass das so ist. Ich hab auch Sachen von Fausto kopiert.

Ach, echt?
Ades: Ja, das war einfach eine tolle Idee. Da gibt es ja einen Textteil, dass der Mondgroom sich „unsichtbar“ machen soll und Fausto machte dann die Hände so vors Gesicht. Das fand ich so lustig, dass ich es auch übernommen habe.
Fausto: Und es hat auch super funktioniert.
Ades: Ja, die Leute lachen da immer drüber.
Fausto: Ja, aber „kopiert“ würde ich das nicht nennen. Wir haben einige Sachen ausgetauscht. Bei uns beiden konnte man ja sofort merken, dass wir Zwillinge sind – bei der Geburt getrennt. (lacht) Das war für mich von Anfang an die Herausforderung: Wie können wir eine Form in diesen Charakter bringen, die für uns beide passt. Deswegen war es auch so toll, dass wir beide die Proben von Anfang an zusammen gemacht haben und wir uns austauschen konnten.

Was habt ihr denn gedacht, als ihr gefragt wurdet, die Rolle zu übernehmen?
Ades: Oh, das ist schon so lange her. Ich glaube, Tobias Bonn von den Geschwistern Pfister hat mich angerufen, und dann gab es bei denen zu Hause eine Lesung, bei der alle dabei waren. Ich dachte natürlich zuerst: „Was ist das denn für ein Stück?“ Ich hatte es vor langer Zeit schon mal überflogen, weil mich mal ein Regisseur als Frau Luna besetzen wollte. Ich dachte, es gibt nicht viel her. Und dann auch noch diese Mini-Nebenrolle. Am Anfang dachte ich, es wären nur vier Sätze, ich glaube, es sind aber zehn.
Fausto:
Ich glaube, es sind sogar 13. (lacht) Aber viel Schreierei dazwischen, das macht schon Spaß.

Wie war es, als du gefragt wurdest, Fausto?
Fausto: Mich hat der Lutz Deisinger gefragt, der künstlerische Leiter von Bar jeder Vernunft und Tipi. Das war, als ich gerade fertig war mit „La Cage aux Folles“, wo ich die Zofe gespielt habe. Ich dachte zuerst, ja das ist schön, aber was ist „Frau Luna“? Natürlich kenne ich das Lied „Die Berliner Luft“, das kennen ja alle, aber eigentlich weiß kaum einer, woher das kommt. Und ich wusste ganz lange nicht, dass der Mondgroom eine Frau ist.
Ades:
(lacht) Ja, genau.
Fausto:
Und ich dachte, ach super, ich werde mal etwas komplett anderes spielen und zwar endlich einen Mann. Wir wussten es beide nicht bis zum ersten Probentag.
Ades: Nee. Das war wirklich ein großer Aufschrei. Wir kamen in den Probenraum und da waren die ganzen Entwürfe von den Kostümen. Ich bin da so lang gelaufen und guckte und dachte: „Ach, da steht ja Mondgroom und das ist ja eine Frau.“ Dann gab es eine große Runde, in der sich jeder Vorstellen sollten und ich sagte: „Hallo, ich bin Ades Zabel, und ich habe eben festgestellt, dass ich eine Frau spiele und nicht einen Mann.“
Fausto: Und das Bild erinnerte mich an Norman Bates Mutter in „Psycho“ und ich dachte: „Ach du lieber Gott, wer ist diese Person? Wer ist Mondgroom?“ Es war wirklich überraschend. Aber ich habe mich einfach gefreut, allein in dieser Konstellation zu arbeiten. Mit den Geschwistern Pfister und Cora Frost vor allem. Ich bin ein großer Fan von ihr und war immer ganz aufgeregt, wenn ich sie bei den Proben traf. Und sie sagte immer: „Fausto, lass das mal, wir sind jetzt Kollegen.“ Ih finde es auch toll, mit Ades zu arbeiten und mit allen anderen. Es ist einfach ein tolles Team und ich freue mich, dabei zu sein.

Aber es sind ja eigentlich lauter Einzelkünstler … Normalerweise sind  alle entweder allein oder zumindest als Hauptattraktion auf der Bühne, jetzt arbeiten sie alle in einem Ensemble.
Ades: Ja, das stimmt. Das war auch nicht immer einfach. Die Absicht dahinter war natürlich, dass man einen ganz besonderen Cast hat und dann mit den lustigen Liedern und diesen Menschen die Leute begeistern kann. Und eben natürlich die Eigenheiten, die alle haben, hervorzuholen oder auch mal ganz anders zu besetzen. Pigor zum Beispiel ist ja fast nicht zu erkennen – dank Haar und weil er so albern agiert.
Fausto: Die Herausforderung ist eigentlich für jeden, raus aus dieser Kleinkunstsache und auch aus sich rauszugehen und als Team zu arbeiten. Das war auch eine große Aufgabe für Bernd Mottl.

Ihr habt beide vorher schon mal mit Bernd Mottl zusammengearbeitet. Ich habe zum Beispiel „La Cage aux Folles“ mit Fausto in der Bar jeder Vernunft oder einige von den Edith-Schröder-Stücken mit Ades gesehen, in denen er Regie geführt hat. Als Zuschauerin hatte ich auch bei ihm das Gefühl, dass er über sich hinausgewachsen ist. Hat der Cast da auch auf ihn gewirkt?
Ades: Das Ziel war natürlich, dass diesen angestaubte Stück, auch wenn man den Originaltext verwendet, auf Tempo zu machen und wahnsinnig unterhaltsam. Es sollte natürlich wirklich unterhaltsam werden.
Fausto: Ich glaube aber auch, dass Bernd Mottl da sehr vorsichtig war. Das ist eine sehr empfindliche Linie, dass man nicht in so eine Klamaukigkeit in die falsche Richtung geht. Da war er sehr genau in jedem Detail, bei jeder Tänzerin. Alles musste stimmen.
Ades: Und natürlich hat jeder auch etwas eingebracht an Ideen.
Fausto:
Da war er auch sehr offen.
Ades: Auch untereinander haben wir gegenseitig Vorschläge gemacht und besprochen, wie man bestimmte Zeilen am besten rüberbringt.
Fausto: Und Bernd hat es immer möglich gemacht, das auch auszuprobieren. Das war ein sehr schönes Arbeiten.

Ades, neben Sharon Brauner bist du der einzige echte Berliner in diesem absoluten Berlin-Stück. Wie war das für dich, die anderen berlinern zu hören?
Ades: Naja, das ist natürlich wirklich eine schwierige Sache. Das Lustige war, dass ich ab dem zweiten Probentag auch so ein bisschen der Berliner Supervisor war – zusammen mit einer Praktikantin. Ich habe aber kein Problem damit, dass das ein gespieltes Berlinerisch ist. Das ist in dem alten Stück ja auch ein anderes Berlinerisch, als man es jetzt hier auf der Straße hört. Das ist ja in jeder Region so, dass Schauspieler Dialekte sprechen müssen, mit denen sie nicht aufgewachsen sind.
Fausto: Ich spiele zum Beispiel in Frankfurt auch auf Hessisch. Wir haben „La Cage aux Folles“ auf Hessisch und Frankfurterisch gespielt – da hat sich der eine oder andere Frankfurter auch ein bisschen aufgeregt.

Zurück zu eurer Rolle. Was mögt ihr daran am liebsten?
Ades: Ich mag am liebsten, dass man aus ganz wenig ganz viel rausholen kann. Ich wusste zum Beispiel nicht, dass Leute sich so freuen darüber wenn man staubsaugt (lacht) oder einen Vorhang hochzieht.
Fausto: Ich finde toll, dass es ein Mondwesen ist, das dennoch ganz viel Bezug zur Realität hat. Das ist die Mutti, die man an jeder Ecke erkennen kann. Für mich fühlt sich diese Rolle sehr ehrlich an.

Die doppelte Besetzung gibt es ja vor allem, weil Ades jetzt wieder …
Ades: … die Weihnachtsshow spielt, genau. Am Anfang wollten wir das gar nicht machen, denn das ist ein ziemlicher Aufwand, kostet Geld und so weiter. Da war ich natürlich sehr froh, denn ich hätte nicht dem BKA sagen können, ich spiele die Weihnachtsshow in diesem Jahr nicht.
Fausto: Das würde gar nicht klappen. Edith Schröders Weihnachtsshows ohne dich, das wäre ja eine Katastrophe!
Ades: Wobei ich ja immer davon träume, das mal mit echten Frauen zu besetzen, also mit einem echten Cast, das wäre sicher wahnsinnig lustig.

Was wird denn die Rolle unterscheiden? Fausto, was machst du anders als Ades?
Fausto: Ich bewege mich natürlich anders durch meine Persona und meine Figur. Außerdem haben wir schon auch einen unterschiedlichen Rhythmus. Ich finde auch interessant, wie man den gleichen Text komplett anders interpretiert. Ades macht das brillant, auch weil es schon Edith Schröder gibt. Für mich war das eine Übung, meine Alter Ego Kelly Heelton ist eher Topmodell und groß und jung. Da musste ich mich komplett neu erfinden. Und vor allem ohne High Heels!
Ades: Ja, das ist aber auch wirklich komisch, auf Hausschuhen zu spielen, auch für mich.
Fausto: Ich denke manchmal: „O Gott, ich spüre den Boden unter meinen Füßen“, das ist eine ganz neue Erfahrung, die mir aber beim Erarbeiten der Rolle sehr geholfen hat, da hab ich mir auch etwas von Ades abgeschaut. Aber vieles machen wir komplett anders, zum Beispiel die Szene, in der Mondgroom betrunken ist.

Wie hast du dir die Zeit vertrieben, bis du jetzt die Rolle übernommen hast?
Fausto: Ich wollte eigentlich Urlaub machen, aber ich hatte zu viel zu tun. Ich habe eine Band in Frankfurt, Nativa Brasileira, mit der ich Konzerte spiele. Ich habe die Mister-Gay-Germany-Wahl moderiert und hatte erste Vorproben für „Linie 1“, das ich nächstes Jahr in Darmstadt spielen werde.
Ades: Als hier der erste Soundcheck war, haben alle auf der Bühne irgendwas gemacht. Und zwar nichts aus dem Stück, sondern jeder irgendwas aus seinem eigenen Programm. Die Tänzerinnen haben gemacht: „Ich mach jetzt Hip-Hop“ und dann saß ich da so und dachte: Das ist ja Wahnsinn und fühlte mich an die guten alten Zeiten der Nachtbar erinnert. Ich hab dann gleich Lutz Deisinger gefragt, ob die da Interesse hätten und er fand das gut. Nach der ersten Hauptprobe habe ich das dann dem Team vorgestellt und war ein bisschen ängstlich. Wir hatten einen langen Probentag hinter uns alle hingen auf halb sieben und wollten nach Hause und da fragte ich: „Habt ihr nicht Lust eine Nachtshow zu machen? Ich weiß ihr haltet mich jetzt für verrückt, aber …“ und alle sagten „Nö, machen wir!“ Und das wird am 21. Januar sein. Mal gucken, was dabei rauskommt. Ich freu mich auf jeden Fall.
Fausto: Das kann nur Gutes sein.
Ades:
Da kommt sicher totaler Irrsinn bei raus. Weil sicher auch neue Kombinationen entstehen. Ich freu mich schon drauf.

Interview: Christina Reinthal

SIEGESSÄULE präsentiert:
Frau Luna, u. a. mit Andreja Schneider, Anna Mateur, Gustav Peter Wöhler, Tobias Bonn, Christoph Marti, Sharon Brauner, Benedikt Eichhorn, Thomas Pigor, Max Gertsch, Cora Frost, Gert Thumser, Ades Zabel/Fausto Israel, 27.10.–29.01., Tipi

„Sind wir nicht alle ein bisschen Luna“, Mitternachtsshow mit dem Cast von „Frau Luna“, 21.01.2017, 23.59, Tipi

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