Musik

Mutter Courage: Sinéad O’Connor wird 50

8. Dez. 2016
Sinead O'Connor 2014 © Donal Moloney

Am 08.12. begeht Sinéad O’Connor ihren 50. Geburtstag. Marcel Anders traf die Frau, die in den 90er-Jahren zur feministischen Ikone wurde, in ihrem Haus in Irland

Bray ist das Brighton von Irland. Ein Badeort an der Ostküste, 45 Minuten südlich von Dublin, in den am Wochenende ganze Heerscharen von Touristen einfallen. Zum Unmut von Sinéad O’Connor, die hier ein Haus direkt am Strand besitzt – unschwer zu erkennen an den Ecksteinen in Grün und Rot, den Nationalfarben von Jamaika. „Jeder weiß, wo ich wohne“, empfängt sie mit einem spröden Lächeln. „Und weil mich die meisten Leute für verrückt halten, lassen sie mich auch in Ruhe. Was ich sehr begrüße“, so die kleine Frau mit den grauen Haarstoppeln und den großflächigen Tattoos, die unter ihrem Schlabberpulli hervorlugen. „Ich wohne hier mit meinen beiden jüngsten Söhnen, die gerade in der Schule sind“, sagt sie und führt in ein Haus, das dezent chaotisch wirkt: In der Küche türmt sich schmutziges Geschirr, überall liegen Spielsachen, vor einem riesigen Fernseher stehen zwei gemütliche Ledersessel und ein imposanter Kater macht seine Aufwartung. Sinéad bittet in die erste Etage, in ihren Vishnu Room: Ein rosa gestrichenes Zimmer, ausgelegt mit orangefarbenen Matratzen, überall sieht man Rastafari-Symbole und Zeichnungen von Hindugottheiten. „Hier ziehe ich mich zurück, um zu lesen, zu schreiben und zu rauchen“, grinst sie. „Das ist die Ruhe, die ich brauche.“

Schließlich, so gibt sie unumwunden zu, leide sie immer noch unter dem Hass und den Anfeindungen der späten 80er- und frühen 90er-Jahre, als sie sich mit der katholischen Kirche, aber auch der konservativen Gesellschaft angelegt hat. „Ich habe alles getan, was irische Frauen normalerweise nicht tun: Ich habe die Brutalität von kirchlichen Einrichtungen und die sexuellen Übergriffe meines Vaters angeprangert, mich für das Recht auf Abtreibung ausgesprochen, ein Bild vom Papst zerrissen und meine Sexualität ausgelebt – mit Männern und Frauen.“ Was die Tochter aus gutbürgerlichem Hause zum Schreckgespenst des Establishments und zur Heldin der Jugend gemacht hat. Eben als feministische Ikone, als Sprachrohr einer liberaleren Inselnation und nicht zuletzt als Popstar, der gerade mit den ersten Alben „The Lion And The Cobra“ (1987) und „I Do Not Want What I Haven’t Got“ (1990) international Erfolge feierte – die sie zur Flucht von der Insel nutzte. „Mit 17 bin ich nach London und später nach Los Angeles – weil ich hier wegmusste. Aber 2000 bin ich zurückgekehrt, um mich meinen Kritikern zu stellen.“

Das hat sie Energie, Kraft und Gesundheit gekostet. „Ich habe zu viel getrunken und geraucht, mir zu viele Tattoos stechen lassen, um
zu zeigen, wie stark ich bin, und ich habe mich mit den falschen Männern und Frauen eingelassen.“ Weshalb sie aktuell in Therapie und überzeugter Single ist. „Ich habe keine Lust mehr, verletzt zu werden, und ich habe genug um die Ohren, mit den Vätern meiner Kinder klarzukommen.“ Ihre berühmte Äußerung, zu drei Vierteln hetero und zu einem Viertel lesbisch zu sein, kommentiert sie heute mit einem trockenen Lachen: „Ich musste mir irgendwann eingestehen, dass ich Sex mit Männern doch befriedigender finde. Und ich mag ihn sehr. Er hat etwas Göttliches – egal, wie dreckig er ist. Das ist etwas, auf das ich nicht verzichten könnte.“

Gut auskommen könnte sie allerdings sicher ohne die Klatschpresse, die sich immer wieder auf ihr Privatleben stürzt und von Ausrastern, Selbstmordversuchen und Disputen mit Promis wie Miley Cyrus, U2 oder Kim Kardashian berichtet. Alles überzogen, so Sinéad. „Ich bin gesundheitlich angeschlagen und habe ständig Streit mit meiner Familie. Außerdem sage ich immer, was ich denke. Und das bringt mir Ärger ein, den ich eigentlich nicht will. Nur: Ich ziehe ihn quasi magisch an. Und zwar immer und immer wieder. Ich kann die Leute nur bitten, das nicht zu ernst zu nehmen. Denn: Ich meine nicht alles ernst, was ich sage oder auf meiner Homepage schreibe.“ Die ist aktuell mal wieder offline. Wer weiß, warum … Trotzdem: Happy Birthday, Sinéad!

Marcel Anders

sinead-oconnor.com

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