Film

„Vic + Flo haben einen Bären gesehen“

8. Apr. 2014

Es ist schon ein ziemlich kruder Mix, den der französische Regisseur Denis Coté da unter dem sperrigen Titel „Vic + Flo haben einen Bären gesehen“ ins Kino schickt. Um die lesbische Beziehung zweier Exknackis herum hat er ein groteskes Mystery-Märchen inszeniert, das in einem quälend langen Gewaltexzess gipfelt. Der Film versetzt uns in eine abgelegene Hütte im Wald, irgendwo in der frankokanadischen Provinz. Dort landen Vic und Flo, zwei Frauen, die über einen sehr langen Zeitraum im Gefängnis einsaßen.

Warum, erfahren wir nicht, wie uns generell der Film nur sparsam mit Informationen versorgt. In der Abgeschiedenheit soll die Liebe, die sich bisher hinter Gittern abspielte, aufgefrischt werden, auch wenn Flo sich zunehmend nach Affären mit Männern sehnt. Doch da biegt das lesbische Drama schon Richtung „Twin Peaks“ ab: Ein dunkles Geheimnis aus Vics Vergangenheit holt die beiden ein und in das Dickicht des Waldes treten eine Reihe mysteriöser Figuren. Darunter ein schwuler Bewährungshelfer, der sich im Leben der Frauen einzunisten versucht, und eine geheimnisvolle Dame, der etwas Unheimliches und Destruktives anhaftet.

Einen in sich konsistenten Alptraum a la Lynch mit einer komplexen Motivwelt bietet der Film nicht

Die genau beobachtete Intimität zwischen den beiden eher ruppigen und hartgesottenen Frauen ist es, die anfänglich für den Film einnimmt und seine ambivalenten Protagonisten zu sympathischen Identifikationsfiguren macht. Und obwohl die drei zentralen Figuren homosexuell sind, wird das Thema selbst nie wirklich problematisiert oder verhandelt. Eigentlich eine angenehme Herangehensweise, wenn nur klar werden würde, woran der Film überhaupt interessiert ist. Es gibt surreale Einsprengsel und auch in diesem dunklen Märchen wird eine böse Hexe den Wald in einen Hort des Schreckens verwandeln. Einen in sich konsistenten Alptraum a la Lynch mit einer komplexen Motivwelt bietet der Film allerdings nicht. Und selbst wenn die Entwicklung der Handlung unvorhersehbar bleibt und die Charaktere nebulös erscheinen, werden Mystery-Fans kaum befriedigt. Viel mehr als ein komplett banaler, aufs Äußerste reduzierter Thrillerplot will sich da im Verlauf des Films einfach nicht herauskristallisieren.

Dennis Coté nennt das filmischen Minimalismus. Inhaltliche Leere trifft es aber auch ganz gut. Dennoch: Mit seinen wunderbar mürrischen lesbischen Heldinnen, seinem grobschlächtigen und fiesen Torture-Porn-Finale und all den zähen, langweiligen Passagen, die scheinbar völlig grundlos existieren, ist er schon ein ziemlich widerspenstiges Filmbiest, das nicht ohne Reiz ist. Den Witzbolden der Berlinale-Jury war das 2013 immerhin den Alfred-Bauer-Preis wert.
Andreas Scholz



„Vic + Flo haben einen Bären gesehen“, ab 03.04. im Kino

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