Bühne

„Wir sind nicht das schwache Geschlecht“

7. Okt. 2014
Anika Hoffmann trat früher viel im Sonntags-Club auf, jetzt auch beim "Sauer macht lustig"-Festival

Viel Humor und sehr viele Frauen: Das „Sauer macht lustig“-Festival ab 9.10. im Kabarett-Theater Distel

Vom 9. bis 12. Oktober findet im Kabarett-Theater Distel das alternative, machtkritische Humor-Festival „Sauer macht lustig“ statt. Bühnenprogramm und Workshops stehen ganz unter dem Motto, sich den verschiedenen Machtdimensionen von Lachen und Humor, Klischees und Vorurteilen mit einem interessanten und spartenübergreifenden Kabarett-, Satire- und Comedy-Programm anzunähern. Wir sprachen mit einer der beteiligten Künstlerinnen, der lesbischen Stand-up-Comedienne Anika Hoffmann.

Anika, was hat dich bewegt, beim „Sauer macht lustig“-Festival mitzumachen? Ich denke, natürlich gibt es so ein paar führende Lesben, die im TV zu sehen sind, wie Hella von Sinnen, die Ikone, oder im politischen Geschehen zum Beispiel Anne Will, die sehr offensiv damit umgehen, aber es gibt meines Wissens nach keine Frau, welche die lesbischen Klischees auf die Bühne bringt. Mein Anliegen ist es, die vorherrschenden Klischees humoristisch aufzuarbeiten und dem Publikum dadurch den Spiegel vorzuhalten. Das SAUER-MACHT-LUSTIG-Festival ist dafür der richtige Ort.

Wie steht es um weibliche Comedy – wo stehen Frauen und Lesben in diesem Kulturbetrieb heute? Es findet glücklicherweise ein Wandel statt. Comedy ist keine Männerdomäne mehr. Noch vor wenigen Jahren waren nur vereinzelt Frauen in der Comedy-Landschaft zu sehen. Mittlerweile werden es mehr. Gerade im Bereich der Kleinkunstszene. Bezüglich des Lesbisch-Seins: Es gibt viele lesbische Künstlerkolleginnen. Jedoch leben nur wenige ihre Sexualität wie ich auf der Bühne aus, weil es unerheblich für deren Kunst ist.

Als Comedienne arbeitest du mit Klischees und deren Überspitzung. Hand aufs Herz: hattest du da auch mal die Befürchtung, mit den Shows selbst zum Klischee der Lesbe beizutragen? Ich hatte am Anfang richtig Angst, vor der Szene selbst, vor den Lesben (lacht). Ich bin zunächst sehr naiv an meine Auftritte herangegangen und dachte, ich geh' jetzt auf die Bühne und versuche, meine Geschichten einem begeisterten Publikum zu erzählen. Und wenn einem dann per Fingerzeig nochmal so aufgedrückt wird, wie man sich angeblich als Lesbe selbst verhält. Da hatte ich schon die Befürchtung, dafür Schelte zu kriegen der Art „Was erzählst du denn da?“. Das hat sich aber nie in der Form bestätigt. Ganz im Gegenteil. Meine überspitzte Selbstironie traf von Anfang an den Humor von Lesben. Wir sind jetzt so weit, dass wir über uns selbst lachen können, wir sind nicht das schwache Geschlecht oder die schwache Randgruppe. Auf der Bühne bin ich ja auch sehr Lesbe mit allen Klischees, die ich vorgebe. Aber ich denke, dass es nicht dazu beiträgt, diese zu verfestigen, sondern eher dazu, dass man darüber nachdenkt.

Apropos Klischees, Frage an die Expertin: was macht im Jahr 2014 denn nun eigentlich „die Lesbe“ aus? Gibt es sie in Zeiten allgegenwärtiger Queerness überhaupt noch? Für mich wird es immer das Karo-Hemd bleiben (lacht). Ein Klischee, das sich mittlerweile, glücklicherweise, modebedingt aufgelöst hat. Gerade in Berlin mit den ganzen Hipstern kannst du das gar nicht mehr unterscheiden, wer ist lesbisch, wer ist schwul, wer ist heterosexuell. Und auch in lesbischen Kreisen ist es ja fließend. Ich finde das gut, dass sich so ein Wandel vollzogen hat, dass man sich nicht mehr optisch abgrenzen muss, um ein Statement zu setzen. Man lebt und man liebt wie und wen man will.

In der queeren Szene genießt du ja schon einen gewissen Kultstatus. Kommen deine Fans noch hauptsächlich aus Szenekreisen oder mittlerweile auch mehr aus dem Mainstream? Nee, sie sind schon hauptsächlich, ich sag mal so zu neunzig Prozent aus der queeren Szene. Mittlerweile werden auch viele Heterofreunde mit auf meine Veranstaltungen geschleppt (lacht). Gerade bei meinem Soloprogramm „Eine Lesbe singelt um die Welt“ findet man sich als Single in vielen Situationen wieder. Was mich zudem sehr berührt, sind E-Mails von jungen Mädels, die auf meine Videos stoßen und Mut bekommen, sich öffentlich zu ihrer Sexualität zu bekennen. Oder dass von einer Lehrerin Videos im Religionsunterricht gezeigt wurden, um über Homosexualität aufzuklären. Das beflügelt mich und zeigt mir, dass es richtig und wichtig ist weiterzumachen.

Interview: Melanie Götz

„Sauer macht lustig“, ein machtkritisches Festival u. a. mit Anika Hoffmann, Cloozy Haber, Stefanie Lohaus, Laura Méritt, Vanessa Stern, Eva Ullmann, Diane Torr, 09.–12.10., Kabarett-Theater Diestel, sauermachtlustig-festival.de

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