Petition gegen Attila Hildmann

Was bringen Boykott-Aufrufe?

6. Aug. 2020 Paula Balov

Stana Iliev von dem Kampagnenbündnis All Out, das sich weltweit für die Rechte von LGBTI* einsetzt, hat Unternehmen aufgefordert Bücher und Produkte von Attila Hildmann nicht mehr zu verkaufen.

Grund für den Boykott: Der Koch, Corona-Leugner und Verschwörungstheoretiker Attila Hildmann verbreitet „regelmäßig homophoben, trans*phoben, rassistischen und antisemitischen Hass", wie es in der Petition auf der Webseite von All Out heißt. Vor einigen Wochen hatte Hildmann u. a. auf einer Kundgebung in Berlin gesagt: „Wenn ich Reichskanzler wäre, dann würde ich die Todesstrafe für Volker Beck wieder einführen". Der Grünen-Politiker erstattete gegen ihn Anzeige.

Wir fragten Stana, wie erfolgreich ihr Boykott-Aufruf bisher war und wie sinnvoll solche Aufrufe sind, um sich z. B. gegen LGBTI*-feindliche Äußerungen zur Wehr zu setzen.

Stana, warum hast du einen Boykott-Aufruf gegen Attila Hildmann gestartet? Attila Hildmann war mir vorher kein Begriff. Dann habe ich mitbekommen, dass er regelmäßig antisemitische Verschwörungstheorien verbreitet und gegen LGBTI*-Personen hetzt. Zum Beispiel hat er eine Morddrohung gegen Volker Beck auf Telegram veröffentlicht. Ich bin der Meinung, dass man das nicht unterstützen darf. Auf die Idee einen Boykott zu starten, bin ich gekommen, weil mir aufgefallen ist, dass die meisten Bioläden seine Produkte schon lange verbannt haben, während in den Buchläden noch all seine Bücher stehen. Hildmann kann sich also weiterhin durch den Bücherverkauf finanzieren. Nach Außen vermittelt es den Eindruck die Buchläden würden sein Verhalten akzeptieren. Deswegen habe ich privat die Kampagne gestartet, um den Unternehmen zu signalisieren, dass sie Stellung beziehen müssen und solche Hassbotschaften nicht normalisiert werden dürfen. Teilweise hat es geklappt, teilweise arbeite ich noch daran.

Wie haben die Buchgeschäfte denn bislang auf den Boykott-Aufruf reagiert? Hugendubel hat bereits nach zwei Tagen die Bücher aus dem Sortiment genommen. Von Thalia und Weltbild habe ich nur eine relativ generische E-Mail zurückbekommen, in der es heißt, sie würden nicht die Notwendigkeit sehen diese Bücher zu entfernen. Sie sind nicht der Meinung sein Verhalten gutzuheißen, wenn sie seine Bücher verkaufen. Von Dussmann und Amazon habe ich noch keine Antwort bekommen.

Was erhoffst du dir von der Kampagne? Momentan haben fast 4.000 Leute unterschrieben. Ich erhoffe mir natürlich, dass wir mehr Stimmen sammeln, damit die Unternehmen, die bislang nicht gehandelt haben, ihren Standpunkt überdenken. Ich werde in ein oder zwei Wochen nochmal alle Buchläden um Rückmeldung bitten. Wenn gar nichts passiert, ist meine Überlegung die Unterschriften auszudrucken und ein kleines Sit-in vor den Buchläden zu machen.

„Meine Kampagne kann dazu beitragen, dass Firmen ihm keine Plattform mehr bieten, um seinen Hass zu verbreiten.“

Was bringen Boykott-Aufrufe allgemein? Es kommt immer auf die Situation an. Meine Kampagne ist sehr klein und vor allem symbolisch. Ich glaube nicht, dass sie Attila Hildmann stoppen kann. Aber sie kann dazu beitragen, dass Firmen Flagge zeigen und ihm keine Plattform mehr bieten, um seinen Hass zu verbreiten. Mit All Out konnten wir auch sehr konkrete Erfolge erzielen, zum Beispiel gegen den Hassprediger Franklin Graham. Er sollte in London mehrere Vorlesungen halten und dank unserer Aktion haben ihm alle abgesagt, sodass er seine Tour nicht fortsetzen konnte. Allgemein können große Boykott-Aktionen gegen Unternehmen der Öffentlichkeit die Augen öffnen und ein effektives Druckmittel sein.

Können Boykotte auch negative Effekte haben? Der Teufel liegt im Detail: Es ist wichtig zu prüfen, wen man mit einem Boykott noch treffen könnte. Wenn beispielsweise dazu aufgerufen wird: „Boykottiert den Tourismus in diesem oder jenem Land, weil es dort homofeindliche Gesetze gibt“, dann könnten auch Aktivist*innen vor Ort oder queere Menschen, die im Tourismus arbeiten, getroffen werden. Ein Boykott könnte mehr Schaden anrichten als beseitigen und sogar einen Backlash auslösen. Ein Beispiel dafür sind die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotchi. Wir wollten eine Kampagne starten und haben uns gefragt: Sollen wir dazu aufrufen die Winterspiele zu boykottieren? Die russischen LGBTI-Aktivist*innen waren dagegen, weil das auf sie zurückfallen könnte. Sie fanden es viel angemessener, wenn wir an die Sportler*innen appellieren öffentlich Stellung gegen Homophobie zu beziehen. Deshalb ist gute Recherche und der Kontakt zu den lokalen Communities so wichtig.

Woran erkenne ich als Privatperson einen seriösen Boykott-Aufruf? Mir ist wichtig, dass der Boykott-Aufruf nicht auf einer Plattform steht, die auch Petitionen gegen Abtreibung oder gegen LGBTI-Rechte veröffentlicht. Aus dem Aufruf sollte hervorgehen, wer die Aktion ins Leben gerufen hat und welches Ziel der Boykott verfolgt. Man kann sich vorher Fragen stellen wie: Wer wird angesprochen? Ist der Sachverhalt gut recherchiert? Sind Quellen mit angegeben? Was passiert mit den Stimmen? Kampagnen, die über All Out laufen, überprüfen wir auf diese Qualitätsmerkmale und unterstützen auch dahingehend.

Petition „Hassprediger Attila Hildmann raus aus den Verkaufsregalen!“ auf action.allout.org

Petitionen von All Out für LGBTI*-Rechte

Stana Iliev von All Out

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