FESTIVAL

Hörfestival „Echos + Netze“ bringt Queeres auf die Ohren

19. Nov. 2015
MissterDean Lend-me-your-Ear (c) Echos_Netze

Dieses Festival in Kreuzberg ist richtig wichtig. Warum? Weil heute die digitale Dauerberieselung vorwiegend über optische Oberflächenreize passiert: Da ist es mal eine bereichernde Alternative, nicht bloß immer auf das glitzernd-grell Bunte zu glotzen, sondern beim queeren Hörfestival „Echos + Netze“ die Ohren ganz weit zu öffnen und tief in unendliche akustische Weiten vorzudringen. Schließlich ist die Welt ja auch nicht bloß ein buntes Bilderbuch ohne Klang. Weil „Echos + Netze“ tatsächlich ein Forum für queere Ansätze bietet: Queer ist hier nicht bloß ein modisches Label, auch nicht einfach ein anderes Wort für LGBTI, sondern es geht tatsächlich um Veränderung der Perspektive, um Abweichung, Infragestellen des Normativen, um „das Verquere und Widerständige“, wie es so schön in der Ankündigung heißt. Herkömmliche Sex- und Gender-Kategorien und ihre Konsequenzen werden mit vielfältigen künstlerischen Mitteln unter die Lupe genommen. Und zudem besteht bei „Echos + Netze“ die Möglichkeit, sich in einem wunderbar kreativen Rahmen auszutauschen und zu vernetzen. Die Reaktionen auf queere Perspektiven sind ja  gerade in letzter Zeit mitunter aggressiv. Dem kann nur gemeinsam begegnet werden. Auch diese politische Dimension beinhaltet der Festival-Titel „Echos + Netze“.

39 internationale Klangkünstler_innen kommen an den drei Festivaltagen zusammen und stellen ihre Arbeiten vor, als Soundperformances, Klanginstallationen Hörspaziergänge, Hörstücke und bei Workshops. Themen und Geschichten sind weit gefächert. Dazu einige Beispiele: Martin Deckert hat eine Mischung aus Daily Soap und fiktivem Tagebuch entwickelt, inspiriert von der lesbischen Dichterin Gertrude Stein. Ann Antidote und Lun Ário kreieren einen interaktiven akustischen Dom bestehend aus Aussagen über Gender und Sexualität, Migration und Prekarität. Bassano hinterfragt Zuschreibungen der Vagina. Das Performance-Duo Anaïs Héraud und Till Baumann untersucht die Wirkung ständig wiederholter Phrasen. Und Mischa Badasyan, der mit seiner Langzeit-Performance „Save the Date“ für Furore gesorgt hat, reflektiert Erfahrungen mit täglich wechselnden Sex-Partnern und soziale Transit-Orte.

Baella van Baden-Babelsberg, eine der Gründer_innen des seit 2011 alle zwei Jahre stattfindenden Festivals, betont, dass „Echos + Netze“ gerade denjenigen Gehör verschafft, die ansonsten im lauten medialen Rauschen wenig beachtet werden. Es gibt also viel Neues zu entdecken. Baella weiß: „Hören, Zuhören und Verstehen sind der unmittelbare Zugang zu Herz und Verstand.“ Beim auditiven Vorkosten am 9. November im Schwulen Museum* regten die präsentierten Beispiele auf jeden Fall schon lebhafte Diskussionen an.

Eckhard Weber

„Echos + Netze“. Das internationale queere Hörfestival

20–22.11., 11–22 Uhr, Eintritt frei!

Kunstquartier Bethanien (Studio 1 und Projekträume), Mariannenplatz 2, Kreuzberg

www.echosundnetze.de

www.quear.org

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