Szene

Fetisch trifft auf klassische Malerei: Die Kunst von YuLiang Liu

1. Dez. 2017
© YuLiang Liu

YuLiang Liu gestaltete das Dezember-Cover der SIEGESSÄULE. Im Interview erzählt er von seiner künstlerischen Arbeit und wie er sich als Mann mit asiatischen Wurzeln von der Community angenommen fühlt

Vor drei Jahren ist YuLiang Liu aus Taiwan nach Berlin gezogen. In seinem Heimatland studierte er Architektur, mittlerweile kreiert er aber mit Hilfe von Fotografien und Photoshop bunte Bilderwelten. Dabei sind klassische Gemälde meist die Grundlage. In die opulenten Bilder retouchiert er meist junge nackte Männer in sexy Posen mit Fetisch-Accessoires. Für das aktuelle Cover der SIEGESSÄULE hat er die Modebloggerin Line O'Confetti als die heilige Mutter Maria und sich selbst als Jesuskind inszeniert. Im Interview erzählt er uns, was ihn zu seinen Bildern inspiriert.

YuLiang, bezeichnest du dich als Fotograf oder Künstler? Das ist sehr schwer zu beantworten. Ich fotografiere und bearbeite die Bilder mit Photoshop. Für mich ist das Kunst. Bei der klassischen Malerei schafft man Illusionen mit Farbe und Pinsel auf einer Leinwand. Ich mache das ähnlich, allerdings mit moderneren technischen Mitteln. Ich möchte mich aber gern in Zukunft mehr mit der Fotografie auseinandersetzen und zum Beispiel Fashion Editorials (Modestrecken, Anm. d. Red.) inszenieren.

Was inspiriert dich? Die Fetisch-Subkultur. Ich kombiniere diese Ästhetik gerne mit klassischer Malerei. Dadurch bekommt das Anrüchige etwas sehr Schönes, Künstlerisches.

Wie bist du auf die Idee gekommen Fotos mit klassischen Kunstwerken zu kombinieren? Ich hatte mir einen neuen Harness gekauft und wollte dieses Fetischelement mit dem Gemälde „Die Geburt der Venus“ von Boticelli kombinieren. Ich liebe dieses Bild einfach und habe viel damit herumexperimentiert. Daraus ist dann eine ganze Serie geworden mit verschiedenen Models.

Wie findest du deine Models?
Über Grindr und Instagram. Ich schreibe sie einfach an und frage, ob sie Lust haben. Am Anfang war es noch etwas schwierig, weil ich ja noch nicht viele Bilder vorzeigen konnte. Doch jetzt wo ich schon einige Ideen umgesetzt habe, ist es doch relativ einfach, die Jungs zu überzeugen Momentan entsprechen meine Models auch sehr den gängigen Schönheitsidealen. Das würde ich in Zukunft aber gerne ändern und viele verschiedene Körperformen zeigen.

Du benutzt auch dich selbst oft als Model. Wieso? Am Anfang hatte ich noch nicht so viele Models und dachte mir es wäre eine gute Idee, mich selbst zu fotografieren. Die Posen für die Bilder sind oft recht kompliziert und wenn ich es selbst mache, ist es viel leichter, weil ich ja weiß, was ich will und wie ich mich positionieren muss, damit ich das gewünschte Ergebnis erreiche. Außerdem war ich unglaublich schüchtern, bevor ich nach Berlin kam. Es fiel mir zum Beispiel am Anfang sehr schwer, mich in einer öffentlichen Umkleide umzuziehen, weil ich mich in meiner Haut nicht wohl gefühlt habe. Zudem ist mir irgendwann aufgefallen, dass die Leute in Deutschland irgendwie keinen Bezug zu asiatischer Kultur haben. Deshalb ist es mir mittlerweile auch wichtig, mit meiner Kunst zu zeigen, dass Menschen mit asiatischen Wurzeln tolle Sachen machen und tolle Geschichten erzählen können.

Wie ist es für dich als Mann mit asiatischen Wurzeln in der queeren Berliner Szene? Es gibt natürlich ein bevorzugtes Stereotyp: groß, behaart und stark muskulös. Das bin ich alles nicht. Dadurch wird es manchmal etwas schwierig und ich versuche das mit meiner Kunst auszugleichen. Ich will auch zeigen: „Hey, man kann auch sexy sein, ohne so auszusehen.

Wie reagierst du, wenn du in Grindr oder Romeo Profilen liest: No Asians? Früher war ich richtig angepisst. Ich frage mich immer, wie man im Jahr 2017 so eine Einstellung haben kann. Aber ich versuche dann herauszufinden, woran es liegt, dass Leute solche Aussagen machen. Ich denke, es liegt auch daran, dass die asiatische Community hier völlig unterrepräsentiert ist. Für uns gibt es wenig Sichtbarkeit und somit auch wenig Offenheit. Viele bevorzugen eben das, was sie gewohnt sind.

Was sind deine Pläne für die Zukunft?
Im Januar habe ich mein erstes großes Projekt im Soho House Berlin. Ich werde ein kleines Studio aufbauen, in dem sich die Leute fotografieren lassen können. Dann werde ich die Bilder live vor Ort bearbeiten. Leider ist diese Aktion nur exklusiv für Mitglieder des Soho House Members' Club. Aber es ist ein großartiger Anfang.

Interview: Kaey

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SIEGESSÄULE-Cover der Dezemberausgabe, gestaltet von YuLiang Liu

yuliang-liu.com

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