Benefizparty für Community in Ägypten

„Berlin ist die Hauptstadt der schwulen arabischen Welt"

26. Jan. 2018

In den vergangenen Monaten wurden in Ägypten zahlreiche Menschen wegen ihrer Homosexualität verhaftet. Es gibt einen dramatischen Anstieg der Verfolgung. Immer wieder kommt es zu Verurteilungen und hohen Haftstrafen. Karim Molyneux-Berry hat lange selbst in Kairo gelebt. Am Samstag veranstaltet er in Berlin "*Khwat", ein Benefizparty + Konzert, bei der Geld für die Verfolgten gesammelt werden soll. SIEGESSÄULE-Autor Markus Kowalski sprach mit ihm über die Situation in Ägypten und die Möglichkeiten zu helfen

Wie kam es zu der aktuellen Verfolgungswelle in Ägypten? Im September war das Konzert der Band Mashrou‘ Leila in Kairo. Der Front-Sänger ist offen schwul und die Konzertbesucher haben eine Regenbogen-Flagge geschwenkt. Während des Konzerts war das kein Problem. Aber danach gingen Bilder und Videos in den Sozialen Netzwerken viral, und die Regierung äußerte sich empört und sagte, dass westliche Werte verbreitet werden würden. Diejenigen, die die Flagge hoch hielten, wurden teilweise mit bis zu sechs Jahren Gefängnis bestraft und mussten sich demütigenden Anal-Untersuchungen unterziehen.

Wie ist es zu erklären, dass die Regierung dort jetzt so hart durchgreift?
Das Thema wurde durch die militärische Regierung politisiert. Diese hatte zuvor eine religiöse Regierung abgelöst und muss den Konservativen jetzt beweisen, dass sie die Moral im Land nicht vernachlässigt.

Wie geht es den Menschen in dieser Situation? Sie leben in ständiger Angst und müssen sich verstecken. Schwule Männer werden auf Grindr in eine Falle gelockt, indem Polizisten sich als Schwule ausgeben und ein Treffen vereinbaren. Die Menschen werden festgenommen und für Erregung öffentlichen Ärgernisses bestraft. Grundlage dessen ist ein Prostitutions-Gesetz aus den 1960ern, welches nun für Homosexuelle angewandt wird. Eigentlich gibt es kein Gesetz, das Homosexualität verbietet.

Bei der Benefizparty sammelt ihr Geld für die ägyptische LGBT-Community. Wie soll das Geld helfen? Leider kann ich aus Sicherheitsgründen nicht sagen, an wen wir das Geld senden werden. Der ägyptische Staat greift in den letzten Jahren hart gegen Nichtregierungsorganisationen durch, die aus dem Ausland finanziert werden. Mit dem Geld werden wir aber garantiert denjenigen aus der LGBT-Community helfen können, die derzeit unter Druck stehen.

Du hast selbst in Ägypten gelebt. Wie hast du die Zeit dort erlebt? Meine Mutter ist Ägypterin, mein Vater Brite. Ich bin nach Ägypten gezogen, als ich 20 war und an der Universität studieren wollte. Ich war bereits offen schwul, musste meine Sexualität aber wieder verbergen, das geschah unbewusst. Mit 27 Jahren, nach der Revolution, ging ich damit wieder offen um. Denn in dieser Zeit waren auch die Menschen viel offener und konnten über solche Dinge reden. Aber ich will auch betonen, dass ich von einem privilegierten Familienhaus komme. Ägypten ist immer noch ein sehr armes Land. Nur, wenn man dort wohlhabend ist, kann man über dem Gesetz stehen und sich so etwas erlauben. Meine Freunde sind damit okay, dass ich schwul bin. Ich würde das aber nicht jedem Ägypter erzählen.

Gibt es hier in Berlin eine ägyptische queere Community? Natürlich! Berlin ist die Hauptstadt der schwulen arabischen Welt und des Nahen Ostens. Alle kommen hierher, um Urlaub zu machen, aber auch um als Geflüchtete anerkannt zu werden. Einige von ihnen werden auf der Party sein.

Wie ist es für dich, hier in Berlin zu leben? Ich bin Brite, aber ich bin eine PoC und ich heiße Karim. Ich habe nirgendwo so viel Rassismus erlebt wie in Deutschland. Also bin ich auf das Bürgeramt gegangen und habe meinen Zweitnamen Alexander in den Ausweis eintragen lassen. Seitdem ist alles super einfach! Das ist eigentlich beschämend. Gleichzeitig war es für mich sehr schwierig, in die Szene reinzukommen. Und ich denke das geht vielen aus der arabischen Welt auch so. Die Schwulenszene ist sehr oberflächlich, manche schreiben auf ihr Grindr-Profil „no whites, no asians“. Das ist rassistisch und völlig inakzeptabel.

Was können wir hier in Deutschland tun, um die Situation in Ägypten zu verbessern? Die Leute müssen die Heuchelei des ägyptischen Staates verstehen und sich dessen bewusst sein. Trotzdem sollten die Europäer weiter in Ägypten Urlaub machen, ganz einfach, weil die Tourismus-Industrie dort darauf angewiesen ist. Das Geld, das durch den Tourismus nach Ägypten kam, hat das Land in den letzten 20 Jahren enorm verändert. Ägypter sehen, wie sich westliche Touristen benehmen, und gewöhnen sich so daran. Zum Beispiel tragen junge Frauen in einzelnen Städten Hot Pants, und so können Ägypterinnen das ausprobieren und liberaler werden.

Was erwartet uns bei der Party? Im Erdgeschoss werden wir Live-Acts aus der queeren Community aus Berlin haben, oben werden DJs auflegen. Ahmed, Madu und ich werden am Eingang sitzen und versuchen, mit den Gästen ins Gespräch zu kommen. Es geht darum, die Leute dafür zu sensibilisieren, unter welchen Bedingungen die LGBT Community in Ägypten leben muss.

Interview: Markus Kowalski

*Khwat, 27. Januar 2018, 19:00 Uhr, Salon zur Wilden Renate, Benefizparty + Konzert für queere ÄgypterInnen

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