Ausstellung zum LAZ

Lesbische Vorkämpferinnen im Schwulen Museum

5. Juli 2018
Christiane Härdel (2. v. l.) und Flying Lesbians Sängerin Monika Jaeckel (3. v. l.) 1974 beim Lesbensommercamp auf der dänischen Insel Femø © Christiane Härdel/ LAZ-Archiv

Alles ganz schön queer hier: Ausgestattet mit einer farbenfrohen Palette an Identitäten und Liebesmöglichkeiten jenseits heterosexueller Normen können sich viele heute gar nicht vorstellen, dass es hierzulande auch einmal eine bleierne Zeit ohne Vielfalt gab – dabei ist das gerade mal 50 Jahre her. In der völlig vermieften Atmosphäre der BRD waren schwule Männer kriminalisiert und lesbische Frauen quasi nicht existent. Niemand konnte sich outen; jede Regung jenseits der homophoben Grundstimmung wurde im Keim erstickt.

Ohne Rosa von Praunheim wäre die Republik vermutlich nie so schnell so kunterbunt geworden. 1971 versetzte sein bahnbrechender Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Gesellschaft, in der er lebt“ Westdeutschland in Aufruhr. Die Vibrationen führten unter anderem zur Entstehung der Homosexuellen Aktion Westberlin (HAW). Bald ließen die schwulen Jungs der HAW auch die Frauen mit in ihr Boot, um die bürgerlichen Ketten zu sprengen. Aus der HAW-Frauengruppe entwickelte sich das Lesbische Aktionszentrum (LAZ), die erste offensive feministische Lesbengruppe des Landes. Ihr kämpferisches Symbol: die geballte Faust im doppelten Frauenzeichen, die das Lesbischsein selbstbewusst postuliert und das Patriarchat zerschlagen will.

Jetzt sind die Erinnerungen an die revolutionären Aktionen dieser Ära reif für das Schwule Museum. „Wir wollten, dass Lesben sichtbar werden und sich positionieren können in dieser Gesellschaft“, erinnert sich Christiane Härdel, die als HAW-Frauengruppe- und LAZ-Mitbegründerin die Ausstellung mitkuratiert hat. „Wir waren dem gleichen patriarchalen Druck ausgesetzt wie alle Frauen, aber wir wussten auch: Wir sind homosexuell, nicht normal. Das Wort ,Lesbierin’ hatten wir damals nicht auf dem Schirm. Das war so eine Art Geburtsprozess für uns. Erst im Zuge des Feminismus haben wir uns lesbisch genannt.“

Seit dieser Neuerfindung provozierte die kleine Lesbengruppe öffentliche Aufmerksamkeit durch Tabubrüche wie Kiss-ins vor Kaufhäusern, der Kampagne „Raus aus der Kirche“ oder 1974 zur besten TV-Sendezeit mit der WDR-Doku „Und wir nehmen uns unser Recht – Lesbierinnen in Deutschland“: „Das war fulminant  und quasi ein Coming-out für Tausende von Frauen“, schwärmt Christiane Härdel. „Wir haben Wäschekörbe von Briefen bekommen. Das hat uns total bekannt gemacht. Überall entstanden kleine lesbische Filialen.“ Heftige landesweite Protestaktionen richteten sie auch gegen die hasserfüllte lesbenfeindliche Berichterstattung der Boulevardpresse. Neben fantasievollen Widerstandsformen dominierten zweifellos das positive Lebensgefühl, die Lust auf befreite Liebe und ausgelassenes Feiern.

Die Ausstellung „Radikal – Lesbisch – Feministisch“ mit wechselndem Rahmenprogramm birgt viele Schätze: bisher unveröffentlichte Originaldokumente, Fotos, Tonmaterial und sogar die Originalinstrumente der Rockband Flying Lesbians. Ihre Songs und andere Lesbenmucke der Zeit spielen an einer Hörstation.

Angesichts des zunehmenden Rechtspopulismus will die Ausstellung aber auch wachrütteln: „Wir haben eigentlich viel erreicht, aber die Frauen ruhen sich auf dem Erreichten aus“, warnt Christiane Härdel. „Das müssen wir bewahren; der Kampf ist nicht zu Ende!“ Deshalb will sie jüngere Frauen ermutigen zu einem stolzen: „Ja, ich bin gerne lesbisch!“ Aktionsspielraum dafür gibt es schon bald, denn ein erklärtes Ziel ist es, einen Verein zu gründen und das LAZ wiederzubeleben: „LAZ reloaded“. MitstreiterInnen sind willkommen.

Andrea Winter

Radikal – Lesbisch – Feministisch, 06.07.– 06.11., Schwules Museum. Vernissage: 05.07., 19:00

schwulesmuseum.de

Begleitprogramm:

Zeitzeuginnengespräch mit LAZ- und HAW-Frauen, 19.07. 19:00, Schwules Museum

Das LAZ: Lesbische Vorkämpferinnen von gestern – und heute?, 06.07., 19:00, Sonntags-Club

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