Kommentar

Die Wahl der Qual beim CDU-Parteitag: Wird es Typhus, Pest oder Cholera?

6. Dez. 2018
Jens Spahn © BMG, Annegret Kramp-Karrenbauer © CDU/Laurence Chaperon, Friedrich Merz © CDU/Laurence Chaperon

Die Ära Merkel neigt sich dem Ende. Am Freitag wird auf dem CDU-Parteitag in Hamburg der neue CDU-Parteivorsitz gewählt. Was diese Wahl aus queerer Perspektive bedeutet, erklärt Dirk Ludigs

Wenn die Bundesrepublik Deutschland so was wie eine Staatspartei hat, dann die CDU. Keine Partei symbolisiert mehr, wofür diese Republik im Herzen steht: Wirtschaftsliberalismus, vom Christentum und nicht vom Marxismus geprägter Gerechtigkeitssinn, eine konservative Grundhaltung, Provinzialität und eine gesunde Skepsis gegenüber Geltungsdrang.

Die CDU, das ist die kleine BRD. Man muss nur auf die Zahlen sehen: Wenn die Bundesrepublik nächstes Jahr 70 wird, wurde sie 50 Jahre lang von CDU-KanzlerInnen regiert. Und 44 Jahre davon waren diese KanzlerInnen in Personalunion auch die Vorsitzenden der CDU. Darum geht es also, wenn über die Nachfolge von Angela Merkel als Parteivorsitzender entschieden wird. Ein paar Hundert Delegierte einer Partei mit 400.000 Mitgliedern entscheiden vorab über die künftige Führung der viertgrößten Wirtschaftsnation der Welt und ihrer 81 Millionen Menschen.

Aus queerer Sicht stehen da Typhus, Pest und Cholera zur Wahl. Annegret Kramp-Karrenbauer hat, das ist zuzugestehen, in ihrer saarländischen Heimat als Ministerpräsidentin keine durchgehend queerfeindliche Politik gemacht. Aber ihre absurde Angst, die Ehe für alle sei das Einfallstor für Polygamie und Inzest, bleibt so homophob wie lachhaft. Und wenn sie für Kruzifixe in Gerichtssälen, aber gegen Kopftücher in Schulen zu Felde zieht, die sie aber selber überzieht, wenn sie ihren Religionsführer trifft, dann ist das alles eben vor allem wahnsinnig inkohärent.

Womit wir bei Jens Spahn wären. Welches Zeichen der Zeit, dass der schwule Kandidat zugleich der konservativste ist. Spahns absurder Quartalshass auf Muslime, wenn er etwa fordert, sie sollten in Badeanstalten nackt duschen, ist natürlich populistisch, aber so ist der ganze Mann. Alle wissen: Spahn interessiert sich für Spahn. Und genau darum böte ein CDU-Parteivorsitzender Spahn auch mittelfristig keinen Schutz vor einer Koalition mit der AfD.

Bleibt Friedrich Merz, ein politischer Zombie, der aus dem gleichen Grund CDU-Vorsitzender werden will, aus dem Trump US-Präsident werden wollte: gekränkte Eitelkeit. Nie eine gute Grundlage. Inhaltlich haben LGBTI eher wenig von ihm zu befürchten, solche Kategorien sind dem Mann egal. Es sei denn natürlich, sie sind arm. Denn der Mann ist so wirtschaftsliberal, als hätte es nie eine Weltfinanzkrise gegeben. Stecken geblieben in einer Zeit, als eine Steuererklärung auf einem Bierdeckel noch die zweitcoolste Sache der Welt war – nach gar keine Steuern zu bezahlen.

Diese Grusel-Wahl zeigt vor allem eines: Wenn die Bundesrepublik erwachsen werden will, muss sie sich aus den Händen ihrer Staatspartei befreien. Vielleicht kann ja den Grünen gelingen, woran die SPD seit fast 70 Jahren scheitert.

Dirk Ludigs

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