Interview mit Bundesvereinigung Trans*

Unkomplizierte Personenstandsänderung für trans* Personen möglich

22. März 2013
Transparent der Gruppe „Dritte Option“ vor dem Bundesverfassungsgericht

Trotz aller gegensätzlicher Vorankündigungen bietet das veränderte Personenstandsgesetz jetzt auch trans* Personen die Möglichkeit, ihren Vornamen und ihren Geschlechtseintrag unkompliziert zu wechseln

Ende letzten Jahres hatte der Bundestag das umstrittene Gesetz zum dritten Geschlechtseintrag durchgedrückt – trotz massiver Proteste aus der Community und der Oposition. (SIEGESSÄULE berichtete) Denn der von Horst Seehofer (CSU) eingebrachte Gesetzesentwurf sah vor, dass die dritte Geschlechtsoption „divers" nur inter* Personen unter bestimmten Vorraussetzungen offen stehen sollte. Doch die Praxis sieht jetzt überraschenderweise anders aus. Denn entgegen der Intention des Gesetzgebers wurde in dem im Januar in Kraft getretenen Gesetz nicht festgelegt, dass es nur für inter* Personen nutzbar sei. So haben auch trans* Personen die Möglichkeit ihren Vornamen und ihren Geschlechtseintrag auf unkomplizierte Weise zu ändern. Um zu erfahren, wie dieser Prozess genau abläuft und was es zu beachten gilt, sprachen wir mit Julia Monro von der Bundesvereinigung Trans*.

Julia, welche Schritte mussten trans* Personen bisher unternehmen, um ihren Namen und Personenstand ändern zu lassen? Nach dem „Transsexuellengesetz“ muss man einen Antrag beim Amtsgericht stellen. Das Gericht prüft diesen Antrag dann und stellt zwei Gutachter*innen. Vor diesen oft fremden Gutachter*innen muss man dann teils sehr intime und übergriffige Fragen beantworten. Beide müssen dann zu dem gleichen Ergebnis kommen, sowie bestätigen, dass die transgeschlechtliche Identität seit mindestens 3 Jahren besteht, damit das Gericht die Änderung erlaubt.

Und wie läuft dieser Prozess jetzt nach dem neuen Gesetz ab? Der Gesetzgeber fordert im §45b des Personenstandsgesetzes, dass eine Person, die von einem oder einer Ärzt*in eine Bescheinigung ausgestellt bekommt, ihren Geschlechtseintrag und ihren Namen beim Standesamt ändern lassen darf. In dieser Bescheinigung muss vermerkt sein, dass bei der Person eine sogenannte „Variante der Geschlechtsentwicklung” vorliegt. Das ist eigentlich schon alles und kostet in der Regel unter 50€. Im Vergleich zum Verfahren mit dem „Transsexuellengesetz“, wo man mit Gutachtergebühren in Höhe von 1500-3000€ rechnen muss, ist das eine enorme Ersparnis. Von den stigmatisierenden Erfahrungen, die man sich erspart, ganz zu schweigen. Allerdings sind manche Beamte mit dem neuen Verfahren noch überfordert und verlangen zum Beispiel eine detailierte ärztliche Diagnose als Nachweis. Dazu haben sie allerdings kein Recht.

Können trans* Personen jetzt ihren Geschlechtseintrag nur auf „divers" oder auch von „weiblich” auf „männlich” bzw. umgekehrt ändern lassen? Der Gesetzestext gibt keine Vorlage, auf was der Geschlechtseintrag geändert werden muss. Seit 2013 besteht die Möglichkeit den Eintrag vollständig streichen zu lassen. Diese Regelung wurde ursprünglich für Neugeborene getroffen, deren Geschlecht nicht eindeutig zuzuordnen ist. Seit dem neuen Personenstandsgesetz ist es nun sowohl möglich, das Geschlecht auf diesen negativen Eintrag, als auch drei positive Eintragungen vorzunehmen, nämlich „männlich“, „weiblich“ und „divers“. Es sind also insgesamt vier Optionen frei wählbar. Trotzdem kann es noch vorkommen, dass manche Beamte auf den Standesämtern dies nicht wissen.

Kann ich einfach in eine beliebige Arztpraxis gehen, um mir eine Bescheinigung ausstellen zu lassen? Nein. Die Ärzt*innen haben eine Fürsorgepflicht und werden sicher keine willkürlichen Atteste ausstellen für Patient*innen, die sie nicht kennen. Für Patient*innen, die in ihrer Praxis einen längeren Zeitraum mit ihren Diagnosen bekannt sind, sollte es in der Regel aber kein Problem darstellen, von behandelnden Haus- oder Fachärzt*innen, oder auch von Therapeut*innen eine Bescheinigung zu bekommen.

Was könnte an dem Gesetz noch verbessert werden? Das neue Personenstandsgesetz erlaubt zum Beispiel noch nicht die rückwirkende Änderung des Geschlechts in vergangenen Dokumenten, beispielsweise in Schulzeugnissen. Somit ist es nicht möglich, falls gewünscht, alle Spuren der ursprünglichen Identität zu entfernen. Wenn jemand beispielsweise eine Auskunft über jemanden einholen möchte, dann sieht diejenige Person, dass man ursprünglich einem anderen Geschlecht zugewiesen wurde. Das wäre ein Zwangsouting. Wenn jedoch jemand die Transition abgeschlossen hat, hat man oft ein Interesse daran, dieses Privatgeheimnis für sich zu behalten. Diese Regelung muss nachgebessert werden.

Wie werden Krankenkassen mit der neuen Situation umgehen? Einen Rechtsanspruch auf einen Nachweis über die Änderungen des Geschlechtseintrags haben die Krankenkassen nicht, denn der rechtliche und medizinische Weg sind strikt voneinander getrennt. Die Frage, ob Kassen Leistungen, wie zum Beispiel Psychotherapie, Hormonbehandlungen, oder Operationen übernehmen, muss also nach medizinischen Diagnosen o. ä. erfolgen, und darf nicht nach rechtlichen Dokumenten bewertet werden. Für medizinische Leistungen ist es also völlig unerheblich ob die Änderung nach dem Personenstands- oder nach dem Transsexuellengesetz erfolgte. Allerdings fordern viele Kassen trotzdem ein Gutachten nach dem Transsexuellengesetz an und hoffen auf das Unwissen der Versicherten. Das gleiche gilt für einige Kliniken, die für Operationen ein Gutachten nach dem Transsexuellengesetz fordern. Wir bewegen uns hier also auf Neuland zu und ich möchte antragstellende Personen ausdrücklich darauf hinweisen, dass es durchaus zu Widerstand kommen könnte.

Interview: Jeff Mannes

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