Kommentar zur EU-Wahl

Ich hoffe, ihr geht alle wählen!

21. Mai 2019
© Joe Kake

Der neue SIEGESSÄULE-Redakteur Joe von Hutch erklärt, warum es wichtig ist, dass wir zur kommenden Wahl des Europaparlamentes unsere Stimme abgeben – auch oder gerade, weil er es selber nicht darf

Immer noch keinen Plan, wen ihr bei der Europawahl am kommenden Sonntag wählen sollt? Als ein in Berlin lebender Amerikaner kann ich euch das auch nicht sagen, aber ich hoffe sehr, dass ihr alle wählen geht.

Ich selber würde es tun, wenn ich einen europäischen Pass hätte, aber leider darf ich nicht mitspielen. Fast hätte ich mal einen europäischen Pass bekommen, als ich noch in Großbritannien lebte und beinahe Brite geworden wäre, aber dann entschieden die sich, die EU zu verlassen – nun, zumindest 51,9 Prozent von ihnen. Ich musste also von vorne anfangen.

Fast Europäer, kündigte ich meinen Job und zog nach Berlin, denn ich lebte mit Unterbrechungen bereits mein halbes Leben in Europa und wollte nicht in dem Moment rausfliegen, wo ich kurz davor war, Teil des Clubs zu werden. „Bürger aus dem Niemandsland“, so nennt die britische Premierministerin Theresa May Leute wie mich. Ich nenne mich lieber „Bürger der Welt“ – auch wenn ich nie in Afrika oder Asien gelebt habe. Dafür aber in London, Paris und Berlin, obgleich ich in keiner dieser Städte jemals wählen durfte.

Solange Deutschland die doppelte Staatsbürgerschaft verbietet und ich meinen US-Pass abgeben müsste, um Deutscher zu werden, werde ich niemals die Chance haben, hier meine Stimme für irgendeine politische Partei abzugeben, obwohl ihre Politik Einfluss auf jeden Aspekt meines Lebens hat. Aus diesem Grund werde ich niemals verstehen, warum Menschen nicht zur Wahl gehen, die die Möglichkeit dazu haben.

Und wenn ich euch damit nicht überzeugen kann, so kann ich euch doch zumindest warnen: vor Viktor Orbán aus Ungarn, vor Marine Le Pen aus Frankreich und vor den AfD-Wähler*innen von nebenan. Sie alle arbeiten daran, dass die EU in ihrer bisherigen Form nicht mehr weiterarbeiten kann oder bis zur Unkenntlichkeit verändert wird. Das wäre dann nicht das Europa, in dem ich leben möchte. Das Europa, in dem ich leben will, bedarf sicher jeder Menge Arbeit: von der gerechten Verteilung von Geflüchteten bis hin zum gemeinsamen Kampf gegen den Klimawandel – aber nichts davon wird möglich sein, wenn ihr einfach zu Hause bleibt und anderen Leuten die Entscheidungen überlasst.

Nehmt diesen Rat von mir, einem Amerikaner, an: Im Zweiparteiensystem der USA sagten 2016 viele Leute zu mir, dass Wählengehen nichts bringen würde. Die Folge davon war, dass Donald Trump die Wahlen gewann – nicht, weil die Mehrheit der Amerikaner*innen für ihn gestimmt hatte, sondern weil 40 Prozent der Wahlberechtigten einfach nicht zur Wahl gingen.

Wenn ihr also nicht eines Tages als Fremde*r in eurem eigenen Land aufwachen wollt, bekommt den Hintern hoch und GEHT WÄHLEN.

Joe von Hutch

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