Kunst

Zwischen Berlin und Istanbul: die Ausstellung „ğ – das weiche g“

17. März 2017
© Alexander Heigl

Das Schwule Museum* zeigt noch bis Ende Mai zeigenössische Kunstwerke, die den transkulturellen Austausch von LGBTIs zwischen der Türkei und Deutschland thematisieren

Der Ausstellungssaal ist mit einem schwarzen Gummiboden ausgelegt, wie man ihn sonst nur in Tanz- oder Gymnastikräumen findet. Die Schuhe abzustreifen sei aber nicht nötig, sagen Emre Busse und Aykan Safoğlu, die Kuratoren der Ausstellung „ğ - das weiche g. queere Formen migrieren“ im Schwulen Museum* in Schöneberg. Die Fußabdrücke der BesucherInnen soll man sehen als ein Sinnbild für Bewegung.

Versammelt sind hier zwölf sehr unterschiedliche Exponate, von Gemälden, Fotos und Comics bis zu Klangkollagen und Installationen. Eine Videoaufnahme zeigt die Künstlerin Mehtap Baydu, die sich selbst in einen Kokon einstrickt. Sie verwendet in Streifen geschnittene Hemden von Männern, die ihr nahestehen, schafft sich so eine Art zweiten Körper. In der Mitte des Raumes hängt ein Sling an Eisenketten von der Decke, wie in einer Schwulenbar, nur dass auf ihm ein „Kilim“, ein traditioneller Teppich befestigt ist. Die Assoziation zum fliegenden Teppich ist gewollt. „Orientalistische Lesarten auf den Kopf gestellt“, wie es im Ausstellungsflyer heißt. Die Arbeiten verbindet, dass sie sich dem Thema der queeren Migration widmen, im Speziellen dem „transkulturellen Austausch“ von LGBTIQs zwischen der Türkei und dem deutschsprachigen Raum.

Viele Werke spiegeln persönliche Erfahrungen wieder, von Migrationen, Körperbildern, auch von ungewollten Zuschreibungen oder von Stereotypen. Nicht nur das ist aber das Besondere an der Ausstellung. Erzählt wird auch eine gemeinsame Geschichte: die der queer-migrantischen Communities „zwischen Berlin und Istanbul“ und darüber hinaus. Etwa behängte Ayşe Erkmen bereits 1994 die Fassade eines Gebäudes am Kreuzberger Heinrichplatz mit türkischen Grammatikformen. Die Form der „unbestimmten Vergangenheit“, die sie wählte, beschreibt Vergangenes, bei dem man nicht selbst dabei war, perfekt also für Gossip, wie Safoğlu augenzwinkernd erklärt. Die Installation befand sich in Nachbarschaft zum Club SO 36, Schauplatz der legendären Partyreihe Gayhane. Nun, in der Ausstellung, hängt ein Video von Erkmens Arbeit einem Porträt von Fatma Souad gegenüber, Dragqueen und Mitbegründerin der Gayhane Parties. „Auf solche Verbindungen wollten wir hinweisen,“ erklären die Kuratoren. Es gehe auch um ein spezielles Lebensgefühl in Berlin, der Stadt, in der viele der KünstlerInnen vernetzt und aktiv sind.

Wer mehr über die Geschichten hinter den Exponaten wissen will, sollte unbedingt einen Blick in das die Schau begleitende Programm werfen. Viele der KünstlerInnen, sowohl aus Berlin als auch aus der Türkei, sind zu Gesprächen geladen. Daneben gibt es Lesungen, Filmvorführungen oder Vorträge auch von AktivistInnen, etwa von Demet Demir, die über ihre Projekte und die Trans*-Bewegung in der Türkei sprechen wird. „ğ – das weiche g“ bietet damit nicht nur einen Blick auf das, was sich in Berlin getan und bewegt hat. Die Ausstellung lädt vor allem auch zu neuem Austausch ein.

Franziska Schulteß

Infos zu den begleitenden Veranstaltungen findet ihr unter
schwulesmuseum.de

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