Szene

Diskussion um „Beißreflexe“

4. Apr. 2017
Patsy l'amour laLove im tazcafé © Stephanie Kuhnen

Im tazcafé stellte Patsy l'Amour laLove gestern das von ihr herausgegebene und kontrovers diskutierte Buch „Beißreflexe – Kritik an queerem Aktivismus, autoritären Sehnsüchten, Sprechverboten“ vor

„Was für einen Fummel ziehe ich bloß an und auf welchem Material macht sich etwaiges Gemüse besonders gut, das nach mir geschmissen wird?!“, fragte Patsy l'Amour laLove Montagnachmittag auf Facebook. Doch die Sorgen der Polittunte sind unbegründet: Die Präsentation ihres Sammelbands „Beißreflexe – Kritik an queerem Aktivismus, autoritären Sehnsüchten, Sprechverboten“ verläuft zwar teilweise kontrovers, aber ohne Gemüsewurf oder Geschrei.

Das Interesse ist groß: Rund 100 ZuschauerInnen quetschen sich am Montagabend ins Café der „Tageszeitung“ in der Rudi-Dutschke-Straße. Geladen hat die Initiative Queer Nations (IQN), durch den Abend führt taz-Redakteur und IQN-Vorstand Jan Feddersen.

Zu Beginn verkündet Patsy die Verkaufszahlen von „Beißreflexe" – ausverkauft! Am 20. April wird die zweite Auflage beim Querverlag eintreffen. So schnell habe sich aus dem Querverlag-Programm nur „Schöner Kommen: Das Sexbuch für Lesben“ von Manuela Kay und Anja Müller verkauft. Ganz offenbar hat das Buch einen Nerv getroffen, und, wie Patsy es formulierte, „Sprachlosigkeit aufgebrochen“. Sie habe viele Rückmeldungen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum bekommen.

Patsy l'Amour laLove ist Herausgeberin von „Beißreflexe“, das Buch versammelt Aufsätze zum Thema queerer Aktivismus, in denen Konzepte wie „Critical Whiteness“, „Homonormativität“ und „kulturelle Aneignung“ als auch Begriffe wie „Privilegien“ und „Pinkwashing“ kritisiert werden – vor allem der dogmatische Umgang damit. Im Interview mit SIEGESSÄULE hat Patsy einige der Inhalte des Buches und Kritikpunkte ausgeführt. Das macht sie auch im taz café, zusätzlich präsentiert sie Reaktionen auf das Buch, die sie über Twitter erhalten hat. Dort wird sie als „Schwuchtel“ beschimpft, der man „das Maul stopfen“ müsse oder „die Zähne ausschlagen“ solle. Ihr wird Gewalt mit dem Baseballschläger angedroht. Patsy spricht von einem „menschenverachtenden Abgrund“, der leider typisch sei für aktuellen queeren Aktivismus – und zeige, dass „Beißreflexe“ nicht übertreibe. Sie bezeichnet es auch als eine „antiemanzipatorische Wende der Queer Theory".

Im Verlauf des Abends kommen so viele Theorien und Details zur Sprache, dass die Zielrichtung der Kritik manchmal unklar ist: Geht es hier um Ansätze, die mit der Queer Theory einhergehen, oder insgesamt um Queer Theory, die Dekonstruktion von Geschlechtern? Moderator Jan Feddersen sekundiert, indem er „queer“ beharrlich als „quer“ ausspricht und von „Queeristas“ spricht, wenn er diejenigen meint, die „Beißreflexe“ kritisiert. Man fragt sich, wieso der veranstaltende Verein ein „queer“ in seinem Namen trägt.

Nachfragen aus dem Publikum tragen zur Aufklärung bei. Eine Zuschauerin verweist darauf, dass das Konzept der Privilegien ein fruchtbarer Ansatz sei, um Machtverhältnisse zu hinterfragen. Eine andere Person erklärt im gleichen Zusammenhang, warum Schutzräume sinnvoll sind und wie sich Stimmungen in Räumen ändern, wenn sich dort z. B. vornehmlich oder ausschließlich Frauen aufhalten. Die Transferleistung, wie es sich mit Räumen verhält, die weiß oder nichtweiß dominiert sind, ist dem zu 97 Prozent weißen Publikum möglich. Und auch Patsy l'Amour laLove spricht davon, dass es ihr vor allem um den dogmatischen Ansatz hinter den Konzepten gehe, wenn etwa die Anwesenheit einer Person in einem Raum als „Gewalt“ bezeichnet werde. Sie betont im Verlauf des Abends mehrmals, dass es ihr um Denkverbote geht, um „Regeln, die vorgeben, keine zu sein“, und vor allem auch um den Umgang miteinander. Und genau das stehe auch in dem von ihr herausgegebenen Buch.

Malte Göbel

Weitere Präsentationen des Buchs in Berlin:
19.04.2017, 20:30, Prinz Eisenherz Buchladen

06.05.2017, 20:00, Sonntagsclub
Vortrag und Buchvorstellung, Gespräch mit Ilona Bubeck, Koschka Linkerhand und Caroline A. Sosat

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