48 Tunten Neukölln

Tunten auf der Rolltreppe

18. Juni 2017
Toni Transit aka Pia Thilmann (li.) und Kaey, 48 Tunten Neukölln © Alexander Heigl

In bestimmten Stadtteilen verankerte Kulturveranstaltungen oder Kiezfeste gibt es viele in Berlin – die meisten allerdings ohne konkreten Bezug zu den in den jeweiligen Bezirken lebenden LGBTIs. Neben dem Torstraßen Festival (08.–11.06.), das häufig queere MusikerInnen im Programm hat, oder dem Bergmannstraßenfest, auf dem in der Vergangenheit immer wieder Tunten und andere Acts aus der Community die Bühne unsicher machten, wird nun auch in Neukölln vorhandenes Kulturgut durchgequeert: Vom 23. bis zum 25. Juni werden verschiedene Orte in Neukölln mit Performances zum Thema Tunte bespielt. Darunter eine Schminkshow in den Schaufenstern des Kulturzentrums Gelegenheiten und ein Tuntenspaziergang ins Karstadt am Hermannplatz inklusive Besetzung einer Rolltreppe.

„Was eine Tunte ausmacht, ist die Sichtbarkeit“, sagt Toni Transit, einer der beiden OrganisatorInnen des Festivals. „Tunten, Dragkings, sichtbare Homos und Queers: sie werden als solche erkannt. Mit allen Vor- und Nachteilen, die das mit sich bringt.“ Mit dem Festival soll genau diese Sichtbarkeit gefeiert werden. Sie träume schon lange davon, so etwas zu machen, erzählt Koorganisatorin Kaey. Nicht nur, weil das Wortspiel 48 Stunden/48 Tunten so schön sei. Auch, weil es genug DragperformerInnen oder Tunten gibt, die in Neukölln leben. „Wir wollen dem Mainstream zeigen, dass Queers auch hier präsent sind. Und im eher hetero geprägten Kunst-Event 48 Stunden Neukölln für etwas Farbe sorgen.“

In der Schwulenszene war der Begriff Tunte ursprünglich ein Schimpfwort für feminine Männer. Doch gab es stets einige, die sich die Bezeichnung aneigneten und zum Politikum machten. Die Rolltreppenidee etwa, sagt Kaey, sei nicht neu. „Das haben die Tunten in den 90ern schon gemacht.“ Die Polittunte ist bis heute eine speziell berlinerische Institution, die neben Spaß am Uneindeutigen vor allem auch Politik- und Gesellschaftskritik auf die Bühne bringt. Das wiederzubeleben sei ein Ziel des Festivals, sagt Toni. „Aber auch, den Begriff Tunte zu öffnen für ein neues Verständnis. Dragkings sind genauso willkommen, oder genderqueere PerformerInnen, die sich jenseits der strengen Einteilung ,Damenimitatorin' bewegen.“

Dabei kommt die Kunst nicht zu kurz: neben einer Tuntenlesung oder einem Tuntensalon wird in der Bar Ludwig eine Gruppenausstellung gezeigt, mit Tuntengemälden und Fotografien. Auftaktparty des Festivals ist am 23. Juni im SchwuZ, einer der Institutionen, in denen die Berliner Tuntenkultur einst erblühte. Höhepunkt der Nacht wird eine Saalwette sein: Das SchwuZ wettet, dass Berlin es nicht schafft, bis 2:00 morgens 480 Tunten auf der Bühne zu vesammeln. Wenn das keine Herausforderung ist.

Franziska Schulteß

48 Tunten Neukölln, 23.06.–25.06.

Programm:
23.06.: 19:00, Silver Future (Konzertabend), 23:00, SchwuZ (Party), 24.06.: 14:00, Gelegenheiten (Schminkperformances, Tuntenspaziergang u. a.), 22:00, Ludwig (Tuntenshow), 25.06.: 15:00, Kindl Stuben (Lesung), 19:00, Ludwig (Videoabend)
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