Kommentar: Ehe für alle

Wir verdanken diesen Erfolg uns!

30. Juni 2017
Daniel Call

Die Ehe für alle ist durch. Ich bin so glücklich. Wir alle sind glücklich. Wir haben so lange gekämpft. Wir wurden verjagt und verhetzt, wir wurden in Gaskammern geschickt, man hat uns entwürdigt und uns den Status der Menschlichkeit aberkannt. Wir waren die Sodomisten, die Unaussprechlichen, und Aids war der Schwulenkrebs, der uns endlich, als Geißel Gottes, ausrotten sollte.

Aber immer wieder sind wir aufgestanden, wie der Boxer im Ring, der sich nicht geschlagen gibt. Wir haben es geschafft. Aus uns heraus. Ohne Lobby, ohne Schützenhilfe. Klar, es waren die GRÜNEN, die 2001 ein Gesetz einbrachten, das 2002 gegen den Willen der CDU und ihrer Vorsitzenden Angela Merkel in Kraft trat. Ein kleinster Nenner, maßgeblich durchgepeitscht von dem großen Menschenpolitiker Volker Beck. Die eingetragene Partnerschaft – eine Verpflichtungsverbindung, die die angeblichen Christdemokraten duldeten.

Seither wurden sie vom Verfassungsgericht vor sich hergetrieben. Es war ein Stoiber, der seinerzeit die Homo-Ehe mit Teufelsanbetung verglich, und eine Merkel, die, wider besseren Wissens ihren Granden folgend, das Thema zum „Bauchgefühl“ erklärte. In die Enge getrieben durch Koalitions-Bedingungen, gab sie nun nach. Bei der Brigitte ausgerechnet ... Eine brillante Volte – ihr ging die Frage stets am Arsch vorbei, hatte sie doch alles andere immer argumentativ begründet. Was sie nicht auf dem Schirm hatte, das war der seit 2013 schimmelnde Gesetzentwurf aus Rheinland-Pfalz. Sie vermeinte, sich die anstehenden Koalitionsverhandlungen zu erleichtern. Denn die in Frage kommenden Partner hatten sich ja auf die Öffnung der Ehe festgelegt. Ob aus Überzeugung oder Opportunismus – who cares? Und so entwickelte sich Merkels Volte zum resoluten Rückschlag. Schulz nahm den Steilpass auf und verwandelte ihn in ein Golden Goal. Damit hat er an Glaubwürdigkeit gewonnen. Freilich hat die SPD gezögert und sich aus Machtgier fehlverhalten. Aber in dieser alles entscheidenden Frage hat sie Merkel und ihre CDU mit Vollgas überholt.

Denn wie fielen sie aus, die Reaktionen der Kauders, Schlagtots und Ichbinnichtnazis? Man sprach von „überstürzt“. Überstürzt? Hallo? Geht’s noch? Über zwanzig Mal hat die CDU/CSU-Fraktion allein in dieser Legislaturperiode das Thema blockiert. Sie bemüht das Gewäsch von jahrtausende-alten Traditionen, ganz offenbar ignorierend, dass unser Grundgesetz auf jene „Sitten“ scheißt. Die Ehe ist keine tausendjährige Tradition. Sie ist eine juristische Verankerung in einer Nation, die Staat und Kirche trennt. Wenn sich die Hetzer der CDU/CSU-Fraktion nicht langsam an diesen Gedanken gewöhnen, setzen sie sich mit jedem gemeinen Nazi oder Islamisten gleich. Organisierte Diskriminierung ist Terrorismus.

Wir haben ihn bekämpft. Wir haben ihn überwunden. Heute, an diesem schönen, alles überstrahlenden Tag. Wir verdanken diesen Erfolg nicht Angela Merkel. Die CDU/CSU-Fraktion hat sich als genauso unwählbar herausgestellt wie die AfD. Wir verdanken diesen Erfolg uns. Wir haben viele Opfer gebracht. Wir sind durch Höllen gegangen und haben Täler durchschritten. Wir tun es noch. Aber – wer weiß? Vor 40 Jahren wurden heterosexuelle Paare ohne Trauschein als „wilde Ehen“ gerüffelt. Heute ist ein Leben ohne Trauschein normal. Übertragen: Wenn in dreißig Jahren, eine Generation ist vergangen, auch im dörflichen Raum homosexuelle Paare „normal“ sind, wenn sie im Elternbeirat sitzen, wenn sie Gemeindetätigkeiten organisieren, wenn ihre Kinder mit allen anderen spielen – vielleicht wird das dann auch ganz normal und alltäglich sein. Ich werde das wohl nicht mehr erleben, aber es war gut, dafür einzutreten. Null Toleranz, 100% Akzeptanz. Heute bin ich wieder mal stolz, einer von „uns“ zu sein.

Daniel Call

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