Interview

„Minderheiten haben ein Elefantengedächtnis“ – Volker Beck über politische Kämpfe

1. Juli 2017
Volker Beck © Angelika Kohlmeier

Er gilt als Vater der Ehe für alle. Lange hat er für Gleichstellung gestritten, nun scheidet er aus dem Bundestag aus. Volker Beck von den Grünen zieht im Gespräch mit SIEGESSÄULE Bilanz

Freitagabend feierte die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare mit einem parlamentarischen Regenbogenabend. Die SIEGESSÄULE war dabei und hat Grünen-Politiker Volker Beck getroffen, der lange Jahre für die Eheöffnung gestritten hat. Nun ist die Ehe für alle da - und Beck scheidet mit Ende der Legislaturperiode aus dem Bundestag aus. Wir sprachen mit ihm über Kämpfe, langen Atem und einen würdigen Abschied

Herr Beck, ist dieser historische Tag Ihr Tag? Es ist der Tag der Lesben und Schwulen und deshalb ist es auch mein Tag.

Könnten Sie sich etwas Schöneres für den letzten Tag der Legislatur vorstellen? Nein, natürlich nicht. Mir war wichtig, dass man das aufs Gleis setzt, und das haben wir mit dem Beschluss aus dem Grünen-Parteitag, den ich initiiert habe, auch gemacht. Wir haben die Lawine ausgelöst. Dass es so schnell geht, hätte ich zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht gedacht.

Würden Sie die Ehe für alle als Kampf Ihres Lebens bezeichnen?
Es gab viele große Kämpfe, die mindestens genauso bedeutend waren, wie die Zwangsarbeiterentschädigung, oder mein erster parlamentarischer Erfolg 1996, als durchgesetzt wurde, dass Holocaust-Überlebende in Osteuropa eine Rente bekommen. Auch die Auseinandersetzungen um das Zuwanderungsgesetz, die Antiterrorgesetzgebung unter Rot-Grün... Das ist alles zwar schon eine Weile her, aber das waren wichtige politische Entscheidungen, die ich massgeblich mitbeeinflusst habe.

Hat Angela Merkel ihrer Meinung nach diese Woche eine Art „Schabowski-Moment“ erlebt, wie es der schwule SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs am Freitag im Bundestag sagte, oder hat sie taktisch die Argumente Ihrer GegnerInnen geplündert? Das ist mir eigentlich egal, weil es zum Richtigen geführt hat. Ich glaube, Merkel hat erkannt, dass sie bei der Ehe für alle nicht gewinnen kann.

Befürchten Sie, dass Lesben und Schwulen, die eher konservativ sind, jetzt Ihre Stimme der CDU bei der nächsten Bundestagswahl geben werden? Minderheiten haben ein Elefantengedächtnis. Die wissen sehr lange, wer für sie gekämpft hat, wer was getan hat und wer gegen sie gestanden hat. Gleichzeitig will ich betonen, dass wir das nicht für den Wahlkampf gemacht haben. Wir wollten aus tiefer Überzeugung diesen Beschluss erreichen. Ich fand es zynisch, als ich heute ein paar Mal gefragt wurde, ob es nicht klüger gewesen wäre, die Frage offen zu halten und im Wahlkampf zu nutzen. So darf man nicht Politik machen. Wenn die Menschen spüren, dass man so mit ihrem Schicksal taktiert, dann verlieren sie das Vertrauen in Politiker.

Werden Sie sich nach Ihrem Abschied vom Bundestag weiter für die Rechte der schwul-lesbischen Community einsetzen? Ich weiß noch nicht, was ich beruflich machen werde. Ich mache auf jeden Fall bis Oktober meine Arbeit, bis der 19. deutsche Bundestag zusammentritt, und dann werde ich sehen. Sicher werde ich mich weiter, im Rahmen meiner Möglichkeiten, für Minderheitenrechte engagieren. Ich habe mich nie nur für Lesben und Schwulen eingesetzt, sondern immer auch für die Rechte von Juden, Roma, Muslime, Migranten und Geflüchtete. Ich bin ein ganz altmodischer, liberaler Bürgerrechtler.

Interview: Annabelle Georgen

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