Interview

Travestie für Deutschland: „Wir wollen den Rechtspopulisten vor den Karren fahren“

27. Juli 2017
Fotomontage „Die Freiheit führt (immer noch) das Volk“ @ Travestie für Deutschland / Stephen P. Carnarius

– Im Vorfeld der Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus tauchten 2016 Plakate der Partei Travestie für Deutschland (TfD) im Stadtbild auf. Darauf zu sehen war Dragqueen Jacky-Oh Weinhaus, die Nazis symbolisch den Stinkefinger zeigt. Die TfD ist allerdings keine richtige Partei, sondern eine Kunstaktion. Dahinter steckt neben Jackie-Oh Weinhaus und Art Director Matthias Panitz auch Alexander Winter. Er ist Content Marketer und bei der TfD verantwortlich für die Website travestie-fuer-deutschland.org und deren Inhalte, die gegen rechte Politiken mobilisieren wollen. Neuestes Werk auf der Seite: eine Photoshop-Nachbildung des Gemäldes „Die Freiheit führt das Volk“ von Eugéne Delacroix. Die Vorlage entstand 1830 und verarbeitet die Barrikadenkämpfe im Paris der Französischen Revolution. In der Nachbildung sind Dragqueens und Dragkings zu sehen, die der Europafahne zujubeln. Zu ihren Füßen liegen Recep Tayyip Erdoğan, Marie Le Pen, Bernd Höcke, Donald Trump und Wladimir Putin. Mit dem Bild wolle die TfD zeigen, „dass es sehr wohl Menschen gibt, die an ein starkes, an ein vereintes Europa glauben", wie es auf der Webseite heißt. Im Interview verrät Alexander Winter, was die TfD sich von solchen Aktionen verspricht und was anlässlich der Bundestagswahl noch alles geplant ist

Alexander, wie seid ihr auf die Idee gekommen, die fiktive Partei Travestie für Deutschland zu gründen? Matthias, Jackie-Oh Weinhaus und ich sind schon lange miteinander befreundet und wir sprechen gerne über politische Themen. Gerade der Erfolg der AfD in den letzten Jahren hat uns persönlich sehr beschäftigt und erschrocken. Letzten März hatte Jackie ein Shooting mit dem Fotografen Felix Grimm. Dabei sind die Bilder mit dem Stinkefinger entstanden und diese hat sie dann auf Instagram mit dem Hashtag #schminktnazis gepostet. Es gab eine große Resonanz darauf. Im Vorfeld der Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus war das Klima in der Stadt besonders politisch aufgeladen. Es gab viele spontane Demonstrationen, und wir haben uns gefragt, ob wir nicht auch einen Beitrag leisten können, mit all den Fähigkeiten, die wir mitbringen. Das Ergebnis ist die TfD.

Was ist das Ziel dieser Aktion? In erster Linie ist es als Satire gemeint. Wir wollten den Rechtspopulisten vor den Karren fahren und deutlich machen, wie sehr diese kleinen Männchen mit leeren Phrasen um sich schlagen. Dabei polarisiert eine Dragqueen, die Nazis den Stinkefinger zeigt, besonders stark. Es ist uns aufgefallen, dass es in der Szene sehr angesagt ist, unpolitisch zu sein. Man geht nachts feiern, aber nur selten auf eine Demo. Da möchten wir gegensteuern. Außerdem wollen wir die Leute dazu zu animieren, wählen zu gehen.

Hast du den Eindruck, eure Aktion hat etwas verändert? Ja und nein. Selbstverständlich hat sie nicht dazu geführt, dass die AfD wegen uns weniger gewählt wurde oder andere Parteien mehr Stimmen bekommen haben. Aber ich habe auch schon auf einer Demo mitbekommen, wie ein paar Jungs, die mich nicht kannten, sich darüber unterhalten haben, dass sie die Plakate von „so einer Transe“ gesehen haben, die zum Widerstand gegen rechts aufruft, und dass man sich verbünden muss.

Was erwartet uns dieses Jahr von der TfD?
Wir haben neue Plakate mit verschiedenen Leuten produziert, die wir in Clubs und Bars aufhängen wollen. Mit dabei ist diesmal auch Jurassica Parka. Ich würde gerne noch mehr Inhalte, wie zum Beispiel Gastbeiträge von Autoren, auf der Website unterbringen. Politische Bildung finde ich besonders wichtig.

Interview: Kaey

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