Politik

Ist die Ehe für alle in Gefahr?

10. Sept. 2017
(c) Jackielynn

Schon im Juli, wenige Tage nach der Abstimmung im Bundestag, hatte die CSU angekündigt, sie wolle die Verfassungsmäßigkeit der „Ehe für Alle“ durch ein Rechtsgutachten prüfen lassen. Doch die Bayern haben sich Zeit gelassen. Erst jetzt, zwei Wochen vor der Bundestagswahl, macht die CSU-Landesregierung ernst und das gleich doppelt: Von Ferdinand Wollenschläger, Professor für Öffentliches Recht, Europarecht und Öffentliches Wirtschaftsrecht an der Universität Augsburg lässt sie prüfen, ob die „Ehe für Alle“ mit dem Grundgesetz vereinbar ist, Dagmar Coester-Waltjen von der Universität Göttingen soll zusätzlich die internationale Rechtslage zur Ehe für alle untersuchen. Vom Ergebnis beider gutachten wird es abhängen, ob die bayrische Staatsregierung eine abstrakte Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht einreichen wird.

Eine große Mehrheit unter den Verfassungsrechtlern ist der Ansicht, dass die Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare vor dem höchsten deutschen Gericht Bestand haben wird. Allerdings gibt es auch einige gewichtige Gegenstimmen. Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier hatte Anfang letzter Woche in einem Interview mit der Tageszeitung Die Welt erklärte, für ihn sei die Öffnung der Ehe über ein einfaches Gesetz nicht verfassungskonform.

Die AfD hatte schon im Juli eine Verfassungsbeschwerde angekündigt, musste dann aber feststellen, dass sie als Partei gar nicht klageberechtigt ist. Da die „Ehe für Alle“ niemanden benachteiligt, ist eine Verfassungsbeschwerde einzelner Bürger*innen gar nicht zulässig. Die zulässige Normenkontrollklage wiederum kann nur von der Bundesregierung, einer Landesregierung oder einem Viertel der Mitglieder des Bundestages eingereicht werden.

Das Grundgesetz definiert die Ehe nicht explizit als Beziehung zwischen Mann und Frau. Allerdings hat das Verfassungsgericht selbst in mehreren Urteilen seit 1993, zuletzt im Jahr 2002, die Ehe so definiert. Andererseits hat das Gericht auch immer wieder betont, bei der Definition dessen was Ehe sei, müssten gesellschaftliche und internationale Entwicklungen berücksichtigt werden. Die „Ehe für Alle“ gibt es mittlerweile in über 20 Staaten der Erde, darunter die meisten Länder der westlichen Hemisphäre, einschließlich der USA und Kanada sowie Westeuropa mit Ausnahme Italiens, Österreichs und der Schweiz.

Der Sprecher des Lesben- und Schwulenverbands LSVD, Axel Hochrein, erklärte zum bayrischen Vorgehen: „Der LSVD ist überzeugt, dass die Ehe-Öffnung durch den Bundestag am 30.06. einer verfassungsrechtlichen Überprüfung Stand halten würde und im Einklang mit dem Grundgesetz steht. Die CSU zeigt sich zwar deutlich vorsichtiger bei ihrer Klage-Wut gegen die Gleichstellung, als beim Lebenspartnerschaftsgesetz, indem sie jetzt erst einen Prüf-Auftrag erteilt, beweist aber damit, dass es ihr nur darum geht, im Endspurt des Bundestagswahlkampfes die reaktionären Teile ihrer Wählerschaft zu befriedigen. Ein durchschaubares Manöver und auch ein Schlag ins Gesicht für die 7 CSU-Abgeordneten, die mit Ja gestimmt haben.“

Für heiratswillige Schwule und Lesben ändert sich durch das bayrische Vorgehen nichts. Das Land hat keinen Antrag auf eine einstweilige Verfügung gestellt, die „Ehe für Alle“ wird also wie geplant am 1. Oktober in Kraft treten.

Dirk Ludigs

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