Sexarbeit

Zum Prostituiertenschutzgesetz: „Man will die Branche nach wie vor im Blickwinkel der Kriminalität sehen“

15. Okt. 2017
Stephanie Klee, Sprecherin von „Sexarbeit ist Arbeit. Respekt!“

Am 1. Juli ist das sogenannte Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) in Kraft getreten, das letzten Sommer vom Deutschen Bundestag beschlossen wurde. Organisationen von und für SexarbeiterInnen äußerten im Vorfeld scharfe Kritik, darunter auch die Kampagne „Sexarbeit ist Arbeit. Respekt!“. SIEGESSÄULE berichtete. Welche Auswirkungen des neuen Gesetzes sich bereits zeigen und was nun noch getan werden kann, um die Lage von SexarbeiterInnen zu verbessern, erzählte uns Stephanie Klee, Sprecherin der Kampagne, im Interview

Stephanie, was ist am neuen Gesetz kritikwürdig?
Das Gesetz hat nur Verpflichtungen, keine Rechte für SexarbeiterInnen geschaffen. So müssen sie sich regelmäßig einer gesundheitlichen Zwangsberatung unterziehen und sind verpflichtet sich mit persönlichen Daten bei einer Behörde zu registrieren. Darüber bekommt man eine Anmeldebestätigung, die man bei der Arbeit immer bei sich tragen muss. Das birgt die Gefahr eines Zwangsoutings, der Datenschutz ist nicht gewährleistet. Wenn man gegen die zahlreichen Vorschriften verstößt, hagelt es Bußgelder, Bordellbetriebe unterliegen verstärkt Kontrollen. Das zeigt, dass man die Branche nach wie vor im Blickwinkel der Kriminalität sehen will. Hinzu kommt, dass die Umsetzung den einzelnen Bundesländern und Kommunen obliegt, was das Gesetz sehr unklar macht.

Welche Auswirkungen des Gesetzes sind bereits spürbar?
Es herrscht große Verunsicherung, viele Betriebe wissen nicht, wie sie alle Auflagen erfüllen können und ob sie im nächsten Monat noch stehen. Es gibt kaum behördliche Stellen, wo sich SexarbeiterInnen, wie vom Gesetz verlangt, registrieren können. Personal und Strukturen fehlen hier.

Welche Veränderungen hätte es stattdessen gebraucht, um eine Gleichstellung der Sexarbeit mit anderen Branchen zu erreichen? Statt mehr Verpflichtungen einzuführen, sollten SexarbeiterInnen über ihre Rechte aufgeklärt werden, dann hätten sie das Know-how, um sich gegen Ausbeutung und Ausgrenzung durchzusetzen. Auch wäre es sinnvoll, statt Sexarbeit noch mehr zu kriminalisieren, sie zu professionalisieren. Diesen Ansatz verfolgt etwa unser Interessenverband, der Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen (BSD), der kürzlich ein Gütesiegel für Bordelle ins Leben gerufen hat.

Wieso wurden Bedenken, die eure Kampagne und andere Organisationen äußerten, ignoriert? Das hängt mit der Stigmatisierung von SexarbeiterInnen im Allgemeinen zusammen. Man hat unserem Expertenwissen nicht vertraut.

Jetzt, da das Gesetz in Kraft ist: welchen Einfluss können Kampagnen wie die eure noch nehmen? Wir machen Länder und Kommunen darauf aufmerksam, wenn sie etwas fordern, was mit dem Bundesgesetz nicht abgestimmt ist. In Bayern wurden z. B. biometrische Fotos auf den Ausweisen verlangt, das steht aber im Gesetz nicht drin. Weitere Verschärfungen wollen wir verhindern und langfristig erreichen, dass das Gesetz, oder zumindest Teile davon, zurückgenommen werden.

Interview: Paula Balov

sexarbeit-ist-arbeit.de

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