Interview

Familienministerin Katarina Barley: „Unser Recht ist geprägt von einem statischen Blick auf Geschlecht"

27. Okt. 2017
Bild: © Susie Knoll
Katarina Barley

Erst Anfang Juni diesen Jahres übernahm Katarina Barley, zuvor Generalsekretärin der SPD, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Nun muss sie das Amt schon wieder abgeben – sobald die neue Regierung steht.

In ihrer kurzen Zeit als Familienministerin setzte sie sich, unter anderem, für die „Ehe Für Alle" ein und brachte das Positionspapier „Schutz und Akzeptanz von geschlechtlicher Vielfalt“ mit auf den Weg, das Verbesserungen für Inter- und Trans*Personen vorsieht.

Wir sprachen mit Barley über das Papier und ihre Kritik am bisher geltenden „Transsexuellengesetz", über gesellschaftliche Hürden und ihre Wünsche an die neue Regierung

Frau Barley, mit dem Positionspapier, das am 21. September, noch zu ihrer Amtszeit, verabschiedet wurde, setzten sie sich dafür ein, dass Trans* und Inter Personen mehr Rechte bekommen. Welche gesellschaftlichen Vorstellungen stehen dem nach wie vor im Wege?
Unsere Rechtsordnung, aber auch gesellschaftliche Denkmuster sind häufig noch geprägt von einem statischen Blick auf Geschlecht. Vielen ist die Vorstellung noch fremd, dass Geschlecht nicht unbedingt mit den Genitalien eines Menschen übereinstimmt, oder dass sich die Geschlechtsidentität erst im Laufe des Lebens ausprägt oder auch verändert. Die betroffenen Menschen werden immer noch ausgegrenzt und diskriminiert. Sie erleiden häufig beruflich und privat Nachteile, und werden vom Rechtssystem vor hohe Hürden gestellt, wenn sie ihre Geschlechtsidentität auch rechtlich anerkennen lassen wollen.

In dem Papier wurde auch empfohlen, das „Transsexuellengesetz" durch ein „menschenrechtsbasiertes Gesetz zum Schutz und zur Akzeptanz der gesellschaftlichen Vielfalt“ zu ersetzen ...
Das Transsexuellengesetz, das aus den 80er Jahren stammt, muss dringend modernisiert werden. Wir sind da einfach nicht auf der Höhe der Zeit. So hat die Weltgesundheitsorganisation längst festgeschrieben, dass die betroffenen Menschen nicht psychisch krank sind. Das aber spiegelt hier bei uns in Deutschland die aktuelle Rechtslage immer noch nicht wider. Kurzum: Es ist überfällig, dass ein Gesetz zum Schutz und zur Anerkennung der geschlechtlichen Vielfalt kommt. Deutschland muss – wie auch vom Europarat gefordert – schnelle, einfache, und transparente Verfahren für einen Personenstandswechsel, Beratungsangebote und Diskriminierungsschutz einführen.

Wie schätzen Sie die Zukunft ein? Werden sich ihre Empfehlungen in der kommenden Legislaturperiode, unter einer neuen Regierung, durchsetzen?
Ob sich unsere Vorschläge durchsetzen werden, hängt entscheidend von der Frage ab, welchen Druck die Zivilgesellschaft entwickeln kann – und natürlich von entsprechenden Vereinbarungen im Koalitionsvertrag. Außerdem kommt es auch auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes an - es laufen ja Verfassungsbeschwerden sowohl zur Anerkennung der sogenannten Dritten Geschlechtsoption im Personenstandsrecht, als auch zur Abschaffung der psycho-pathologisierenden Begutachtungspflicht im geltenden Transsexuellenrecht. Ich hoffe allerdings sehr, dass die kommende Bundesregierung nicht auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes wartet, denn wir sollten nicht noch mehr Zeit verlieren. Andere Länder in der EU sind uns da voraus. Und es geht hier um Menschenrechte. Niemand erleidet Schaden, wenn wir Menschenrechte stärken – die Demokratie kann daran wachsen.

Auf der ministeriellen Ebene steht das BMFSFJ bisher alleine mit seinen Forderungen für Inter- und Trans*Personen. Inwiefern gelang und woran scheiterte eine Einigung mit weiteren Ministerien?

Im Koalitionsvertrag waren ja klare Ziele formuliert – um sie zu erreichen, hat mein Ministerium seit 2014 eine interministerielle Arbeitsgruppe zur Situation inter- und transgeschlechtlicher Menschen koordiniert. Beteiligt waren das Bundesinnenministerium, das Bundesjustizministerium, das Bundesgesundheitsministerium und das Bundesverteidigungsministerium. Geplant war am Ende ein gemeinsames Ergebnispapier vorzulegen. In vielen Punkten war auch eine grundsätzliche Verständigung möglich, nicht aber in einigen wesentlichen Fragen. Nehmen wir zum Beispiel die Novellierung des Transsexuellengesetzes. Zwar wurde hier dringender gesetzgeberischer Handlungsbedarf gesehen. Bei den personenstandsrechtlichen Details war allerdings eine gemeinsame Festlegung nicht zu erreichen. Auch bei der Notwendigkeit eines Verbotes von irreversiblen medizinischen Eingriffen an Kindern mit Variationen der Geschlechtsmerkmale gab es keine Einigung – obwohl ein solches Verbot international von Deutschland gefordert wird.

Interview: Clara Woopen

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