Kommentar

„Beißreflexe“ von queerer Buchmesse ausgeschlossen: „Zwang zum Konsens?“

29. Okt. 2017
Bild: © Sharon Adler
Ilona Bubeck © Sharon Adler

Auf der Buchmesse „Queeres Verlegen“ soll der Band „Beißreflexe“ vom Querverlag nicht vertreten sein. Verlags-Gründerin Ilona Bubeck legt in einem Gastkommentar ihre Sicht auf diese Entscheidung dar

29.10.17 – Die Messe „Queeres Verlegen – Feministische Buchmesse queerer Verlage und Akteur_innen“ findet am 18. November in Berlin statt. Im Vorfeld sprach sich das Orga-Team des Events dagegen aus, dass das Buch „Beißreflexe“ auf der Messe präsentiert wird.

„Beißreflexe – Kritik an queerem Aktivismus, autoritären Sehnsüchten, Sprechverboten“, herausgegeben von Patsy l’Amour laLove und erschienen im Querverlag, ist seit seiner Veröffentlichung im Frühjahr 2017 Gegenstand von Diskussionen und von zum Teil heftigen Kontroversen innerhalb queerer Communities.

Ilona Bubeck, die zusammen mit Jim Baker den Querverlag gegründet hat, kommentiert aus ihrer Sicht die Entscheidung, dem Buch keinen Raum auf der Messe zu geben

„Queeres Verlegen“ – die feministische Buchmesse queerer Verlage – findet am 18. November zum dritten Mal statt. Der Querverlag wird nicht dabei sein. Beim letzten Mal war ich mit einem Büchertisch vertreten und nahm sogar an einer Podiumsdiskussion teil. Die Messe war zwar mäßig besucht und das Publikum fast ausschließlich im Student_innenalter, doch bei uns am Stand wurde durchaus freudig und offen diskutiert. Von daher wäre ich auch in diesem Jahr gerne dabei.

Dazu kommt es aber nicht. Denn es kam ausgerechnet zu der Reaktion, die wir mit unserem im Frühjahr erschienenen Sammelband „Beißreflexe“ ausführlich kritisierten: Die Organisator_innen schrieben mir, das Buch dürfe bei „Queeres Verlegen“ nicht präsentiert werden. Seit 1979 arbeite ich mit feministischer, seit 1995 mit schwul-lesbischer und queer-feministischer Literatur und betreibe jedes Jahr zahlreiche Büchertische selbst. In diesen 38 Jahren wurde ich noch nie zensiert. Und auch heute lasse ich das nicht zu.

Die Verbannung eines einzelnen, queeren Titels sollte nicht akzeptiert werden. Demzufolge nimmt der Querverlag nicht an „QueeresVerlegen“ teil. Was ist eine queere Buchmesse Wert, wenn Kritik, Kontroversen und das Ringen um Meinungen untereinander nicht erwünscht sind? Bedeutet Queer nicht auch einen kritischen Diskurs? Nun kommt er von linker und queerer Seite und soll zensiert werden.

Mich erinnert das an ein „auf Linie bringen“, an stalinistischen Dogmatismus, der Politikfähigkeit und Bündnisse verhindert anstatt ermöglicht. Der Zwang zum Konsens ist das Ende des eigenständigen Denkens und der eigenen Kritikfähigkeit. Der Querverlag macht zugegeben streitbare Bücher, gerade weil wir wissen, dass es nicht die Community gibt, und weil „queer“ für viele zu einer Worthülse geworden ist – genauso wie die Begriffe „feministisch“ oder „links“. Räume für Kritik und Streit halte ich im heutigen politischen Klima geradezu für notwendig, um Standpunkte zu entwickeln und politisch Handelnde bleiben zu können. Wer unbequeme Personen verdrängt und wer kritisch hinterfragende Bücher verbietet, ist für mich als lesbische Feministin keine Verbündete.

Ilona Bubeck

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