Film

Polyamore BDSM-Beziehung: „Professor Marston & The Wonder Women“

2. Nov. 2017
Bild: © 2017 Sony
Rebecca Hall (Foto, li.), Luke Evans (Foto, mittig), Bella Heathcote (Foto, re.) © 2017 Sony Pictures Entertainment

„Seid ihr normal?”, fragt William Moulton Marston (Luke Evans) im Jahr 1928 eine Schar junger, hübscher Studentinnen, die ihm gebannt lauschen. Um gleich darauf anzuschließen: „Was ist überhaupt normal?“ Dass der Psychologieprofessor und spätere „Wonder Woman“-Erfinder ein ziemlich unkonventionelles Verständnis von „Normalität“ besitzt, ist ebenso rasch etabliert wie seine Schwäche für Frauen. Wobei hier tatsächlich „Schwäche“ gemeint ist, denn Marston träumt von der Unterwerfung der Männer unter ein wohlwollendes Matriarchat – ein Konzept, das wenig später Eingang finden wird in die poppig-bunte Welt der berühmtesten Superheldin aller Zeiten. Um die Comicfigur geht es in Angela Robinsons Biopic „Professor Marston & The Wonder Women“ allerdings nur am Rande. Vielmehr lotet der Film die Höhen und Tiefen der polyamoren BDSM-Beziehung aus, die Marston mit seiner Ehefrau Elizabeth (Rebecca Hall) und ihrer gemeinsamen Geliebten Olive (Bella Heathcote) führt.

Hall spielt ihre KollegInnen locker an die Wand, was hier beinahe zwingend wirkt, da Elizabeth die dominante Rolle innerhalb der Dreierkonstellation zukommt. Der offen schwule Evans mimt Marston als eine Art Fleisch gewordene Tom-of-Finland-Fantasie; man nimmt ihm durchaus ab, dass er ganz gerne mal den Tweedanzug gegen eine Militäruniform eintauscht – solange er dabei gefesselt am Boden liegen darf. Demgegenüber wirkt Olive, die allzu oft mit zitternder Unterlippe herumsteht, wie bestellt und nicht abgeholt, reichlich unterkomplex.

Ganz nachvollziehbar mag die Faszination des intellektuellen, feministischen Ehepaars für die junge Studentin nicht sein – umso schöner ist die Utopie einer queeren Dreierbeziehung, die Robinson entwirft. Die lesbische Regisseurin („L Word“, „True Blood“) lässt keinen Zweifel daran, dass alle drei einander lieben und begehren. Unprätentiös, ja beinahe schon spießig wirkt das häusliche Leben der drei Erwachsenen mit ihren insgesamt vier Kindern: Elizabeth verdient als Sekretärin den Lebensunterhalt, Marston sitzt in seinem Arbeitszimmer und bastelt an „Wonder Woman“, während Olive den Haushalt führt. Viel Fiktion oder zumindest Ausschmückung steckt darin, doch beglückt Robinsons Blick auf die Figuren, der keinen Raum für männlichen Voyeurismus oder Sensationslust lässt.

Schade nur, wie vorhersehbar chronologisch sie erzählt: Allzu offensichtlich will jede Szene eine bestimmte Phase innerhalb der Beziehung illustrieren – vom ersten Sex über die Feindseligkeit der Außenwelt, an der das Trio zu zerbrechen droht, bis hin zur tränenreichen Versöhnung am Kindbett. Erfrischend sind immerhin die Gegenschnitte mit Comicsequenzen, die Einblicke in die Überfülle an Homoerotik, Fessel- und Fetischanleihen in „Wonder Woman“ geben.

Wenn auch die Reißbrett-Dramaturgie der mutigen Unkonventionalität seiner Protagonisten nicht ganz gerecht werden kann – in jedem Fall macht der Film Lust, die Original-„Wonder Woman“-Comics aus den 1940er-Jahren noch einmal mit anderen Augen anzusehen.

Anja Kümmel

Professor Marston & The Wonder Women, USA 2017, Regie: Angela Robinson, mit Rebecca Hall, Luke Evans und Bella Heathcote ,
ab 02.11. im Kino

Das Siegessäule Logo
Das Branchenbuch mit Haltung
Queer. Divers. Überzeugend.