Welt-Aids-Tag

Ric Schachtebeck, Gesicht der ersten Safer-Sex Plakatkampagne: "Die Angst vor dem Virus wurde zum Trauma"

1. Dez. 2017
© Jörg Reichardt / Phil Meinwelt

In den Achtzigern war er auf Deutschlands erstem Safer-Sex-Poster zu sehen. Nun, über dreissig Jahre später, sprach Ric mit uns darüber, wie sich der Umgang mit HIV gewandelt hat

02.12.17 – Ric Schachtebeck war der Mann auf Deutschlands erstem Safer-Sex-Poster und warb 1986 mit seinem Gesicht dafür, Kondome zu benutzen. In diesem Herbst veröffentlichte die Deutsche Aids-Hilfe (DAH) das Foto von damals erneut als Postkarte.

Markus Kowalski sprach mit Ric über den Umgang der Gesellschaft mit HIV-Positiven damals und heute und über die Frage, warum für ihn trotz alternativer Präventionsmethoden wie PrEP und Schutz durch Therapie das Kondom weiterhin ganz selbstverständlich dazugehört, wenn es darum geht, HIV-negativ zu bleiben

Ric, als damals die Poster veröffentlicht wurden, war dein Gesicht in jeder Arztpraxis zu sehen. Wie fühlte sich das an?

Ich habe mich unglaublich gefreut, dass ich aktiv und vor allem von Anfang an etwas für die HIV-Prävention machen konnte. Damals mussten HIV-Positive noch viel stärker unter Stigmatisierung leiden als heute.

Hattest du Angst, dass die Kampagne negative Auswirkungen auf dein Leben haben würde?
Nein. Ich habe nicht an irgendwelche Konsequenzen gedacht. Im Rückblick sieht es aus wie eine mutige Entscheidung, das eigene Gesicht für diese Sache herzugeben. Die meisten Rückmeldungen waren positiv. Wenn ich abends ausgegangen bin, haben mich Leute erkannt, und dann haben wir Präventionsgespräche geführt.

Wie waren denn die negativen Rückmeldungen? Meine Eltern hatten natürlich Schwierigkeiten, weil sie dann von den Nachbarn darauf angesprochen wurden. In der Verwandtschaft sagten manche, dass ich nicht mehr mit Kindern in Berührung kommen soll, ganz abstruse Geschichten.

Das Poster rief dazu auf, Kondome zu benutzen. Wie verbreitet waren Gummis damals?
Die Aids-Forschung war sich 1986 sicher, dass man sich vor der Übertragung durch Kondome beim Sex schützen muss. Aber zu der Zeit waren Kondome ein rein heterosexuelles Requisit. Also mussten wir die Schwulen erst überzeugen. Und doch hatten viele keine Lust auf Kondome, weil es sie beim Sex gestört hat. Mir ging es nicht darum, zu sagen, dass das Kondom erotisch ist. Ich finde es auch nicht geil. Aber es schützte dich vor dem Tod. Deswegen war es Mittel zum Zweck. Und das Poster war eine knallharte Aussage: Entweder du nimmst ein Kondom oder du stirbst. Damals gab es keine wirksamen Medikamente, sondern nur die Entscheidung, entweder man verhütet oder man setzt sich dem Risiko aus, mit einer tödlichen Krankheit infiziert zu werden. Die Leute waren panisch, hatten vorsichtshalber keinen Sex mehr, weil sie sich nicht infizieren wollten. Die Angst vor dem Virus wurde zu einem Trauma. Das Kondom dagegen machte Hoffnung, dass man wieder ein normales Sexualleben haben konnte.

Das Stigma „HIV-positiv“ führte zu Ausgrenzung. Ist das heute anders? Das glaube ich nicht. Freunde von mir, die positiv sind, fühlen sich immer noch stigmatisiert und trauen sich nicht, es den Nachbarn zu erzählen. Aber dafür ist die Krankheit heute nicht mehr so sichtbar. In den 80er-Jahren gab es die mageren Körper mit eingefallenen Gesichtern. Du hast in das Gesicht der Krankheit geguckt. Man war mit Freunden unterwegs, von denen man wusste, dass sie bald tot sein werden, und die dann tatsächlich gestorben sind. Diese Bilder gibt es heute nicht mehr. Damit ist der Schrecken der Krankheit gewichen. So hat sich das Stigma zumindest reduziert.

Warum hat die DAH dein altes Foto in Kombination mit einem aktuellen Bild nun noch mal veröffentlicht? Die Poster-Kampagne ist über dreißig Jahre her, viele Leute kennen mein Gesicht, und ich bin der lebende Beweis dafür, dass Kondome schützen. Das macht Hoffnung.

Hoffnung macht aber auch, dass man sich heute mit der PrEP und einer modernen Therapie genauso wirksam schützen kann.

Ist die PrEP wirklich eine Alternative? PrEP (Truvada, Anm. d. Red.) ist ein aggressives Medikament und die Langzeitfolgen bei HIV-Negativen sind noch offen. Braucht man so was, wenn es anders geht? Was ich an Kondomen mag, ist die sichtbar schützende Geste: Ich pass auf dich auf, du passt auf mich auf. Da braucht man nicht auf Vertrauen zu setzen, weder in Affären noch beim Wochenendfick.

iwwit.de
aidshilfe.de

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