Kommentar

Macht die konservative Mottenkiste wieder zu!

7. Jan. 2018
Bild: Michael Lucan, CC-BY-SA 3.0 de
CSU-Vorsitzender Horst Seehofer, Foto: Michael Lucan (de.wikipedia.org/wiki/Benutzer:Mlucan), Lizenz: CC-BY-SA 3.0 de

In der vergangenen Woche hat die CSU in einem internen Papier eine „bürgerlich-konservative Bildungspolitik“ gefordert. Sie kritisiert „blinde Gleichmacherei, die Abkehr vom Leistungsgedanken, Gender-Ideologie“. Diese Veröffentlichung kam - große Überraschung – pünktlich kurz vor der Klausur in Kloster Seeon und vor den anstehenden Sondierungsgesprächen um eine Große Koalition.

Jetzt hetzt die CSU also wieder gegen eine angebliche „Gender-Ideologie“. Offensichtlich suchen sich die Christ-Sozialen damit eine politische Nische, jetzt wo ihr die Themen ausgehen. An den Flüchtlingen hat man sich lange abgearbeitet, nun muss etwas anderes her. Man holt aus der konservativen Mottenkiste ein paar neue, eigentlich alte Feinbilder hervor: Die „Gender-Ideologie“ als angebliche Bedrohung für unsere Kinder. Doch gemeint sind eigentlich Feministinnen, Gleichstellungs-Aktivisten und die LGBT-Community.

In dem Papier heißt es, „solche Konzepte helfen keinem, sondern schaden allen“. Das ist falsch. Solche Konzepte helfen allen. Erst wenn SchülerInnen wegen ihrer Identität nicht mehr benachteiligt, sondern als gleichgestellte Mitglieder der Gesellschaft behandelt werden, werden sich alle wohl fühlen. Die Gender-Studies leisten dazu einen entscheidenden wissenschaftlichen Beitrag.

Natürlich könnte man diese lächerliche Debatte um eine „bürgerlich-konservative Revolution“ als inhaltsleeres Getöse und als übliche „Folklore“ der CSU ab tun. Schön wär's. Dabei steht hier eine wichtige politische Errungenschaft zur Debatte. Denn diese angebliche „Gender-Ideologie“ an Schulen ist eigentlich ein Meilenstein in der Liberalisierung unserer Gesellschaft. So wird Sexualerziehung in einigen Bundesländern in den Lehrplänen bereits als fächerübergreifende Aufgabe verstanden. Dabei sollen LehrerInnen den SchülerInnen vermitteln, dass Sexualität nicht nur eine biologische Notwendigkeit mit dem Ziel der Fortpflanzung ist, sondern dass Sexualität und Geschlecht grundlegende Auswirkungen auf unser Zusammenleben haben. Es geht darum, der nachwachsenden Generation zu vermitteln, wieso Homophobie immer noch Alltag ist und wieso Frauen immer noch um Gleichstellung kämpfen müssen.

Es muss uns empören, dass die Rechten das als „Ideologie“ verhöhnen und Mythen erfinden, wie beispielsweise, dass wegen linker Bildungspolitik Pornos in der Grundschule gezeigt werden. Solchen Unsinn haben bisher meist Anhänger der „Demo für alle“ und der AfD verbreitet. Dass die CSU jetzt darauf einsteigen muss, um verlorene Wählergruppen zurückzugewinnen, ist traurig.

Am Sonntag beginnen die Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD. Es ist nun die Aufgabe der SPD-Verhandlungsführer, die konservative Mottenkiste der CSU wieder zuzumachen. Denn eine Große Koalition, sollte sie zustande kommen, muss wichtigere politische Konflikte lösen. Sollte sie sich in Schein-Debatten um die Sinnhaftigkeit von angeblicher „Gender-Ideologie“ verheddern, dann wäre das nur verschenkte Zeit. Schlimmer noch: Am Ende hätte nicht die CSU profitiert, sondern die AfD. Die Rechtspopulisten würden so die Debatte mit ihren Themen dominieren, ohne selbst etwas gesagt zu haben.

Markus Kowalski

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