Traurige Bilanz

Rechtspopulisten in der Regierung: Was bedeutet das für LGBTI in Österreich?

30. Jan. 2018
Bild: © Christian Jansky, CC BY-SA 3.0
Heinz-Christian Strache, Parteivorsitzender der FPÖ und seit Dezember 2017 Vizekanzler von Österreich, bei einer Wahlkampfveranstaltung © Christian Jansky, https://commons.wikimedia.org/wiki/User:Tschaensky, CC BY-SA 3.0

Seit Herbst ist die rechtspopulistische FPÖ in Österreich Teil der Regierung. Welche Folgen für LGBTI sind bereits abzusehen und was kann die Community in Deutschland daraus lernen?

Seit Herbst ist die AfD in Deutschland stärkste Oppositionspartei. So weit, so schlecht. Was aber würde passieren, käme eine rechtspopulistische Partei beim nächsten Mal in die Regierung? Was würde es für Minderheiten im Land bedeuten – etwa auch für den Status von LGBTIQ?

Das fragten sich einige direkt nach der Bundestagswahl und spekulierten. Währenddessen wurde, mit der Nationalratswahl in Österreich, die nur drei Wochen später stattfand, genau dies auf den Weg gebracht: die konservative ÖVP koaliert seit Oktober mit der FPÖ, der „Freiheitlichen Partei Österreichs“. Deren rechtspopulistisches Gebaren und zum Teil rechtsextreme Ausrichtung – durch z.B. die hohe Zahl an deutschnationalen Burschenschaftern, die nun in der Regierung wie in staatlichen Funktionen sitzen – sind Besorgnis erregend.

In Deutschland ist diese Entwicklung im Nachbarland weniger Thema, als man sich wünschen würde. Zwar sind etwa AfD und FPÖ nicht gleichzusetzen, weisen aber viele Parallelen auf. Die Erfolgsgeschichte der FPÖ, die, je nach Situation, mal neoliberal, mal völkisch-national und autoritär auftritt, gilt als Vorbild für rechte Parteien in ganz Europa. Nicht zuletzt auch mit dem von ihr propagierten Sozial- und Familienmodell: Die Familie, so heißt es im aktuellen Regierungsprogramm für Österreich, sei „als Gemeinschaft von Frau und Mann mit gemeinsamen Kindern“ die „natürliche Keimzelle und Klammer für eine funktionierende Gesellschaft“.

Es lohnt sich also, einen Blick auf das zu werfen, was in Österreich seit der Wahl bereits umgesetzt wurde. Was LGBTIQ-Rechte betrifft, zählt – ironischerweise – die Umsetzung der „Ehe für Alle“ zu einer der ersten Aufgaben der neuen Regierung. Als Angela Merkel im Sommer die Abstimmung zur Eheöffnung innerhalb der CSU/CDU Fraktion frei gab, konnten österreichische LGBTIQ-Aktivist_innen nur staunen. Fortschritte in der LGBTIQ- Politik sind in Österreich seit den 1970 Jahren nur vor und durch Gerichte, und nicht durch Parlamente zu machen. Im Dezember 2017 entschied der österreichische Verfassungsgerichtshof, dass die Diskriminierungen zwischen der Eingetragenen Partnerschaft und der Ehe aufgehoben werden müssen. Ausführen werden dies nun ausgerechnet die Parteien, die sich gegen eine Öffnung immer gesperrt haben.

Zugleich zeigt sich an anderer Stelle schon deutlich, mit welchen Rückschritten wir werden rechnen müssen. Aktuell sind auf Bundesebene vor allem Alleinerzieherinnen und Arbeiterinnen in der Pflege aus anderen EU-Ländern von geplanten Kürzungen betroffen. In den ersten Wochen der Regierungsarbeit wird insbesondere auf Arme und Geflüchtete losgegangen. Dass Strukturen jedoch im gesamten Sozialbereich gefährdet sind, inklusive Frauenreferate, LGBTIQ-Organisationen etc., zeigt das Beispiel Oberösterreich. Das Bundesland hat schon länger eine ÖVP-FPÖ Landesregierung. Für drei Frauen*organisationen, darunter eine für MigrantInnen und SexarbeiterInnen und eine für obdachlose Frauen, wurden hier die Subventionen komplett gestrichen.

Homo- und trans*phobe Positionen bekommen dagegen, ebenso wie rassistische und antisemitische Positionen, durch die rechte Regierungsbeteiligung öffentliche Anerkennung, Redezeit und nicht zu vergessen immense Ressourcen. Vom derzeitigen Klubobmann der FPÖ, Johann Gudenus, wurden diese Ressourcen in der Vergangenheit z.B. schon für Russland-Reisen benutzt, etwa beim Forum für „Mehrkindfamilien und die Zukunft der Menschheit“ 2014 in Moskau, um gegen die „Homosexuellen-Lobby“ zu wettern. Bei einem Treffen mit dem tschetschenischen Diktator Ramsan Kadyrow 2012 besprach Gudenus Möglichkeiten, geflüchtete Tschetschenen, darunter auch LGBTIQ, die in Österreich Asyl erhalten haben, zurück zu schieben.

Die FPÖ wird gerade jene Vernetzungsarbeit in Europa (und darüber hinaus) weiter treiben, die einer auf Menschenrechte basierenden, demokratischen Weiterentwicklung entgegen steht. Ihre Regierungsbeteiligung ist ein Ansporn für rechtsextreme europäische Bewegungen, den Druck auf Minderheiten zu erhöhen. Wann LGBTIQ-Rechte in die Schusslinie geraten, ist nur eine Frage der Zeit.

Marty Huber

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Marty Huber ist Mitbegründer_in und Mitarbeiter_in von Queer Base - Welcome and Support for LGBTIQ Refugees in der Türkis Rosa Lila Villa, dem Haus für LGBTIQ in Wien.

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