Szene

Das Clubsterben geht weiter: „Wohnungseigentümer haben wirklich alles weggebissen“

28. Jan. 2018
Olaf Möller, Politischer Sprecher der LiveKomm

Horrende Mietsteigerungen, Beschwerden von Nachbarn, Wohneigentumsspießer und Finanzheuschrecken – die Berliner Clubszene ist bedroht. Ein Gespräch mit Olaf Möller von der LiveKomm

Das Icon, das Knaack, Nina Queers Schmutziges Hobby und jetzt der Bassy Club in der Schönhauser Allee - das sind nur ein paar Beispiele von Clubs oder Bars im Prenzlauer Berg, die schließen oder wegziehen mussten. Über das anhaltende Clubsterben und wie versucht wird, dem entgegenzutreten, sprachen wir mit Olaf Möller, politischer Sprecher und Mitglied im geschäftsführenden Vorstand der LiveMusikKommission (LiveKomm), dem Verband der Musikspielstätten in Deutschland

Eine Veranstaltung im Bassy ist seit langem eine Institution: Chantals House of Shame. Jetzt steht fest, zum Sommer wird der Club schließen und Chantal nach einer neuen Location suchen müssen. Olaf, was ist da los? Der Bassy Club hat ein Problem, weil in Prenzlauer Berg, früher DIE Inszene, Neu-Wohnungseigentümer eingeritten sind, die wirklich alles weggebissen haben, was nach 22 Uhr irgendwie Lärm machen könnte. Selbst ein kleines Kindertheater musste gehen und seine Pforten schließen. Der Bassy Club war die fast letzte Bastion, denn früher war der Pfefferberg ja selber eine In-Location. Jetzt ist dort alles umgebaut und sehr schick geworden. Laut Pressemitteilung des Betreibers kommen die Stammgäste nicht mehr in den Bassy-Club, weil dieser wie so ein „gallisches Dorf“ in Prenzlberg ist. Die Schließung hat also mit der Gentrifizierung im Prenzlauer Berg zu tun. Die Bassy-Betreiber wollen nun erst einmal wegziehen und vielleicht woanders weitermachen. Ob und wo, steht noch nicht fest.

Auch eine andere Institution, der Privatclub in Kreuzberg, ist gefährdet… Die sind gerade in Gesprächen. Darum ging es auch am 24. Januar beim Panel über Gentrifizierung, bei dem Berlins Wirtschaftssenatorin Ramona Pop durch ihren Staatssekretär vertreten war. Die drei Samwer Brüder (Zalando-Gründer) haben das alte Postgebäude, in dem der Privatclub ist, gekauft. Der Club macht viele Jamsessions, war Brutstätte vieler Künstler. Ich glaube, Wir sind Helden haben da auch mal vor zehn Leuten gespielt. Die Samwer Brüder waren früher selber mal Startup, sie haben dort an andere Startups Büros vermietet. Diese haben sich jedoch über die Lautstärke beschwert, behauptet der Vermieter. Deshalb haben die Brüder dem Privatclub einen Brief geschrieben. Sie fordern mehr als doppelt so viel Miete und der Club darf nicht mehr sieben Tage Konzerte machen, sondern nur noch an zwei Tagen, und das auch nur zu bestimmten Zeiten. Das geht natürlich gar nicht.

Der bestehende Mietvertrag läuft allerdings noch vier Jahre, das heißt, die Eigentümer können das erst 2022 umsetzen. Trotzdem behaupten sie, sie müssten für Ruhe sorgen, weil die anderen Mieter sich gestört fühlen. Die Rechtslage ist also ungeklärt. Wirtschaftssenatorin Pop von den Grünen und Kultursenator Lederer von der Linken haben nun einen gemeinsamen Brief an die Samwer Brüder geschrieben. Darin haben sie um eine einvernehmliche Lösung und zu einem Runden Tisch gebeten. Über die Unterstützung seitens der Politik freuen wir uns, sehen hier aber ein Grundsatzproblem im Gewerbemietrecht.

Das heißt, die Politik setzt sich für den Erhalt der Berliner Clubszene ein? Mittlerweile ja, vor zehn oder 15 Jahren war die Politik da deutlich zugeknöpfter – Clubbetriebe galt es eher zu bekämpfen. Inzwischen hat die Politik aber erkannt, dass mindestens ein Drittel der Touristen wegen der Clubszene und des Feierns nach Berlin kommt. Und auch, dass die Clubszene ein nicht wegzudenkender Standortfaktor für Unternehmen, ja auch Startups ist. Paradox, dass genau einige dieser Startups diese Szene mit Füßen treten.

Gibt es konkrete Maßnahmen? Nachbarn können einen Club dazu zwingen, Schallschutzmaßnahmen zu ergreifen, wenn der Betrieb nicht mehr den neuesten Immissionsgesetzen oder -auflagen genügt. Schallschutzauflagen für z. B. 100.000 Euro kann sich aber ein Club in der Regel nicht leisten. Deswegen hat Berlin jetzt einen Schallschutzfonds aufgelegt, der für zwei Jahre eine Million Euro bereithält. Wie das Geld verteilt werden soll, ist noch nicht ganz klar. Das bespricht die Clubcommission gerade mit den politisch Verantwortlichen. Es ist auch völlig richtig, Steuergelder dafür zu benutzen, denn für die Hochkultur, für die Opern usw. wird mindestens 400mal so viel an Steuergeldern in Berlin ausgegeben.

Welche Rolle spielt das Musicboard, das seit 2013 besteht? Das MusicBoard wird vom Land Berlin mittlerweile pro Jahr mit 2,2 Million Euro ausgestattet und fördert Netzwerke, Künstler, Musik, Musikprojekte und Festivals. Aber das ist für die heterogene Popkultur in Berlin immer noch viel zu wenig – vor allem, ich sage es nochmal, im Vergleich zur Hochkultur, die z. B. in 2017 einen etwa 450 Millionen Euro Haushalt hatte. Das müsste man mehr angleichen. Natürlich braucht ein Orchester mehr Förderung als eine Diskothek mit zehn DJs, trotzdem sollte man beides erhalten wollen. Die Politik hat jedoch mittlerweile parteiübergreifend erkannt, dass die Clubszene in Berlin und auch deutschlandweit wichtig ist, denn auch in Städten wie Hamburg oder Köln sind die Erfahrungen ähnlich wie hier in der Hauptstadt.

Interview: Andreas Marschner

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