Premiere bei der Berlinale

Waffe gegen Machos: Linn da Quebrada

18. Feb. 2018
Linn da Quebrada

„Was nun, Alpha-Mann? Für dich gibt es kein Entkommen mehr“, gibt sich Linn da Quebrada kämpferisch in ihrem Song „Enviadescer“. „Ich habe meinen Schrank ramponiert und ihn verlassen“, schildert sie im Sprechgesang, twerkend und triezend. „Und nun werde ich dich vernichten! Denn einst war ich eine Schwuchtel, aber nun bin ich eine Transe!“ Die 27-jährige Schwarze trans* Sängerin knöpft sich in ihrer Musik den Machismo vor und bringt mit ihrer Combo eine Synthese aus Baile Funk und Bossa nova auf die Bühne. Passioniert, perkussiv und vor allem provokant.

Auf der 68. Berlinale wird die Doku „Bixa Travesty (Tranny Fag)“ von Kiko Goifman und Claudia Priscilla uraufgeführt, die Linn und ihre Gedanken zu Feminismus und ihrer trans* Identität porträtiert. „Ich denke, es ist ein Film für mich und nicht einfach über mich“, erzählt sie im Interview mit SIEGESSÄULE. „Ich bin in so vielen Facetten präsent.“ Ein zentraler Fokus ist dabei ihr Aufbegehren gegen die Zustände in Brasilien, wo laut Regisseurin Claudia Priscilla die Lebenserwartung von trans* Menschen bei gerade einmal 35 Jahren liegt. „Brasilien ist das führende Land, was transphobe Morde betrifft“, erzählt Linn. „Das sagt viel über das Umfeld aus, in dem wir unsere Identität auszuleben versuchen. Die Diskriminierung ist omnipräsent.“ Davon kann Linn wörtlich ein Lied singen. 14 davon befinden sich auf ihrer 2017 erschienenen Debüt-CD „Pajubá“. Pajubá ist die Bezeichnung für eine Mundart, die sich aus dem westafrikanischen Dialekt Yoruba und dem südamerikanischen Portugiesisch zusammensetzt und in der queeren brasilianischen Community sehr beliebt ist. Sie fungiert als eine Geheimsprache, die auch als Schutzschild dient. Für Linn ist diese derb-dichterische Sprache zur Waffe geworden, mit der sie die Alpha-Männer bloßstellt.

Im Kampf gegen die Machos tritt die Performerin, eine selbst erklärte „Terroristin der Geschlechter“, also nicht nur auf, sie tritt auch nach. Schadenfreude? Eher Selbsterhaltungstrieb. Linn wuchs in der Provinz nordwestlich der Hauptstadt São Paulo auf. „Bei meiner Tante, da meine Mutter in der Ferne arbeitete.“ Früh erfuhr sie, dass man nicht allein wegen der Hautfarbe diskriminiert wird. Als Teenager jobbte Linn im Beautysalon und begann sich für Cross-Dressing zu interessieren. „Ich gewann dadurch an Selbstbewusstsein“, schildert sie nachdenklich im Film.

Im März 2016, als ihr pastellig buntes Video zu „Enviadescer“ via YouTube veröffentlicht wurde, stieß Linn auf Anklang. Nunmehr zählte sie nicht mehr zu den anonymen „Faggots der Favelas“. Sie tauschte den Nachnamen Santos gegen Quebrada – wörtlich „Bruch“ – aus und brach auch mit den Traditionen. So mischte sie Brasiliens Hip-Hop-Szene, die bislang – ähnlich wie bei Rap und Reggae – für eine nicht zu leugnende Homofeindlichkeit berüchtigt war, energisch auf. „Wir müssen Widerstand leisten“, ermutigt sie. Auch ihre konsequente Haltung gegen Homo- bzw. Transphobie bescherte ihr eine rapide ansteigende Welle der Popularität, die mit der Premiere von „Bixa Travesty“ auf der Berlinale jetzt ans Ufer der Spree herüberschwappt.

Michaela Dudley

Bixa Travesty, Brasilien 2018
Spielzeiten bei der Berlinale

Live: Linn da Quebrada,
17.03., 20:00, Ballhaus Naunynstrasse
mehr Infos unter ballhausnaunynstrasse.de

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