MUSIK

Erotische Songs, lesbische Hymnen: Dita Von Teese im Interview

21. Feb. 2018
Dita Von Teese © Foto: Camille Vivier

Ein Gainsbourg-Bardot-Moment: Der Pop-Exzentriker Sébastien Tellier komponiert ein Album eigens für die Burlesque-Goddess Dita Von Teese. Das Ergebnis ist fulminant. Wir trafen sie zum Gespräch

21.02.18 – Dita Von Teese, du giltst als „First Lady“ in Sachen Burlesque. Hast du dich schon mal gefragt, was du tun würdest, wenn du diese Rolle im wahren Leben und an der Seite des Präsidenten einnehmen würdest? (lacht) Oh Gott … Wenn ich First Lady wäre, wüsste ich gar nicht, wo ich anfangen sollte, weil es da so viel zu tun gäbe. Ich meine, es passiert so viel in Sachen Frauenrechte und auch die aktuelle Sexismus-Debatte ist wahnsinnig interessant. Ich bin froh, dass sie geführt wird. Und dass endlich öffentlich über Amts- und Machtmissbrauch gesprochen wird und über die ganzen Geschichten, die sich über Jahrzehnte zugetragen haben. Davon kann sich im Grunde keine Frau ausnehmen – wir alle haben in irgendeiner Form Gewalt oder sexuelle Belästigung erfahren. Und das, obwohl sich die Gesellschaft auf den ersten Blick ja schon extrem gewandelt hat. Also das Bild der Frau ist heute ein ganz anderes als in den 50ern, 60ern und 70ern. Man muss sich nur alte Fernseh- oder Kinowerbung ansehen. Da bleibt einem echt die Spucke weg, was für ein unterschwelliger Sexismus und was für ein patriarchisches Frauenbild da mitschwingen. Und obwohl es das auf den ersten Blick nicht mehr gibt – unter der Oberfläche, also in den Wurzeln unserer modernen Gesellschaft, ist das durchaus noch vorhanden. Dagegen müssen wir etwas tun.

Hast du selbst sexuelle Belästigung erfahren? Nicht oft, aber auf gewisse Weise schon. Ich habe zum Beispiel erst vor Kurzem ein Filmprojekt abgebrochen, weil mir ein Kollege, dessen Namen ich nicht erwähne, einfach zu aufdringlich war. Ich meine: Ich brauche das nicht. Ich will lediglich meinen Job machen und fertig. Außerdem war ich schon immer mein eigener Boss. Ich werde mich also nicht auf dieses Spiel einlassen und mit jemandem ausgehen und flirten, der zwar berühmt ist, aber den ich nicht mag. Ich gehe auch nicht mit ihm essen oder nehme Drinks in einer Bar. Daran habe ich kein Interesse, und ich bin ja auch kein Freiwild, das man jagen kann, nur weil man einen gewissen Status in Hollywood besitzt. Was bilden sich die Typen eigentlich ein?

Haben Männer Angst vor dir, weil du so tough bist? Da gibt es zum Beispiel die Geschichte deiner Begegnung mit Donald Trump, der anscheinend wenig begeistert von dir war ... Er wollte, dass ich in seiner TV-Show auftrete – in „Celebrity Apprentice“. Deshalb hat er mich in sein Büro in New York gebeten. Aber schon nach wenigen Minuten dort war mir klar, dass ich nie dabei mitmachen würde – und er mich auch gar nicht mehr wollte. Ich war nicht der Typ Frau, den er sich vorgestellt hatte. Er hat mich genauso wenig gemocht wie ich ihn. Und ich habe die Show später zufällig gesehen. Da meinte er tatsächlich zu einem dieser vielen hübschen Mädels, mit denen er sich dort umgeben hat: „Ich schätze, du siehst toll aus, wenn du vor einem Mann kniest.“ Das ist wirklich so über den Äther gegangen – und wie eklig ist das? Ich hätte ihm vor laufender Kamera eine Ohrfeige gegeben, wenn er das zu mir gesagt hätte.

Was hat dich veranlasst, jetzt auch noch Sängerin zu werden? Ich bin keine Sängerin. Das würde ich nie von mir behaupten – aus Respekt vor allen, die tatsächlich Sänger sind und diese wunderbare Kontrolle über ihre Stimme haben, die mir komplett abgeht. Ich würde auch nie behaupten, dass ich irgendetwas über Musik weiß – außer, welche ich mag und welche nicht. Insofern käme ich nie auf die Idee zu sagen: „Ich werde jetzt Sängerin“ oder „Ich will ein Album aufnehmen“. Das habe ich nur gemacht, weil ich das Angebot von Sébastien Tellier nicht ablehnen konnte. Ich bin schließlich ein großer Fan von ihm.

Darf man fragen, woher ihr euch kennt?
Ich habe ihn vor Jahren zu einer Show in Paris eingeladen, weil ich seine Musik mag. Und irgendwann – aus heiterem Himmel – kriege ich eine Mail von seinem Manager, in der es heißt: „Sébastien hat ein Album für dich geschrieben.“ Mein erster Gedanke war: „Ein Album über mich oder was meint er damit?“ Und die Antwort: „Nein, ein Album, auf dem du singen sollst.“ Worauf ich wieder betont habe, dass ich keine Sängerin bin. Was er eigentlich wissen sollte: Die Show, die er im Crazy Horse gesehen hatte, bestand nur daraus, dass ich die Lippen zu meiner eigenen Stimme bewegt habe. Mehr nicht. Das bedeutet noch lange nicht, dass ich singen kann. (lacht) Und nachdem ich ihm lang und breit zu erklären versucht habe, dass das vielleicht keine gute Idee wäre und er da zu viel von mir erwarte, habe ich mich doch dazu durchgerungen mitzuspielen. Nach dem Motto: „Warum versuche ich es nicht einfach und lasse mich auf etwas Neues ein?“ Wir haben uns dann in seinem Studio in Paris getroffen. Abends bin ich im Crazy Horse aufgetreten, tagsüber habe ich mit Sébastien gearbeitet.

Sébastien ist ein echtes Unikum. Habt ihr auch privat Zeit verbringen können? Oh, wir hatten jede Menge Spaß. Ich erinnere mich noch, wie wir das erste Mal Essen gegangen sind. Ich muss sagen, ich war wirklich fasziniert von ihm, und kaum saßen wir in diesem vornehmen Restaurant, kamen all diese Frauen an unseren Tisch und haben sich ihm buchstäblich an den Hals geworfen. Sie sind geradezu verrückt nach ihm. Von daher war es ein echtes Abenteuer, mit ihm durch die Stadt zu ziehen.

Er hat nicht nur die Musik, sondern auch sämtliche Texte geschrieben. Die sind recht erotisch und frivol ausgefallen. Wie „Rendez-vous“, das sich – wie viele der Stücke – um Lust, Verführung und erotische Fantasien dreht. Was ja auch mit der verträumten musikalischen Grundstimmung korrespondiert. Genau. Und das sind alles Sachen, über die ich zwar singe, aber die ich nie zum Gestand eines Gesprächs machen würde. Denn eigentlich bin ich eine sehr zurückhaltende Person. Einer der Songs ist zum Beispiel so etwas wie meine lesbische Hymne – obwohl ich keine Lesbe bin. Ich habe zwar viele lesbische Freundinnen in L.A., aber mehr auch nicht. Und dieses Stück ist der Ort, an dem ich das einfach mal mental auslebe. An dem ich damit kokettiere, wie es wäre, wenn. Natürlich zum Vergnügen meiner Freundinnen.

Es gibt dieses Zitat von dir: „Ich wünschte, ich wäre bisexuell.“ Inwiefern? Weil ich denke, dass Leute, die sich in ihrer Sexualität nicht einschränken, eine viel breitere Perspektive haben – in Bezug auf die Liebe wie das Leben. Kann sein, dass sich das jetzt naiv anhört, aber ich halte es für wunderbar, nicht auf ein
Geschlecht festgelegt und dadurch noch freier zu sein. Also Liebe ohne jede Konvention zu erleben und einfach einen Draht zu jemandem zu haben, wobei es egal ist, ob derjenige männlich oder weiblich ist. Wie befreiend wäre das?

Du meinst, sexuelle Flexibilität als Ausdruck von Progressivität?
Ganz genau. Ich bewundere Leute, die so sind. Und ich kenne etliche, die in Beziehungen mit beiden Geschlechtern waren. Das ist sehr faszinierend und fortschrittlich.

Wie steht es mit dir? Ich bin leider sehr altmodisch und traditionell: Ich liebe Männer – auch wenn ich das manchmal bedaure.

Bei welcher Frau würdest du schwach? Madonna! Sie schüchtert mich regelrecht ein – was sich nur von wenigen Frauen behaupten lässt. Genau das liebe ich an ihr. Und das habe ich ihr auch schon ein paarmal ins Gesicht gesagt. Eben: „Du machst mich nervös und ich halte dich für eine faszinierende Person. Nimm das als Kompliment.“ (lacht)

Interview: Marcel Anders

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