Kommentar

Identität sitzt nicht zwischen den Beinen!

12. März 2018
Naomi Noa Donath © Henry Böttcher

Immer wieder höre und erlebe ich als trans* Frau in cis*weiblich-feministischen Kontexten, die manchmal hetera geprägt sind, manchmal lesbisch, manchmal queer, dass trans* Frauen ausgeschlossen werden – von der Teilnahme an Musikfestivals, die nur für bei der Geburt weiblich zugeschriebene Menschen sind; aus Veranstaltungen, Netzwerken, Partys, oder von dem Benutzen von Damentoiletten/-umkleiden/-duschen und -saunen.

Diejenigen, die mich aufgrund meiner trans*weiblichen Identität aus
Frauenspaces ausschließen, bezeichne ich als TERFs, trans*-exklusive radikale Feministinnen. Sie argumentieren, trans* Frauen hätten in Frauen-Schutzräumen nichts zu suchen, da sie keine Frauen seien – sie hätten eine männliche Sozialisation erlebt und würden damit auch männliche Privilegien besitzen. Ihnen werden männliche Genitalien und aufgrund dessen ein potentiell übergriffiges Verhalten zugeschrieben.
Und selbst wenn sie eine geschlechtsangleichende Operation gemacht haben, wird ihnen die weibliche Identität aberkannt, aufgrund ihrer Chromosomen oder der fehlenden Eigenschaft zu Menstruieren oder zu gebären.

Ich halte diese Ausschlüsse für ein Problem. Es ist trans*feindlicher,
trans*misogyner, frauenfeindlicher und cis*sexistischer Biologismus,
trans* Menschen auf ihren Körper zu reduzieren und deswegen ihre
Identität abzuerkennen. Damit schaffen TERFs Doppelstandards, denn wenn sich eine cis* Frau ihre Brüste oder Gebärmutter entfernen lassen muss oder nicht menstruieren oder gebären kann, wird ihr nicht die weibliche Identität abgesprochen. Die männlichen Privilegien dagegen, die mir zugeschrieben werden, habe ich erst im Nachhinein wahrgenommen, als ich sie aufgrund meines weiblichen Passings schon gar nicht mehr hatte.

Leider erleben viele Frauen sexualisierte Gewalt durch Männer. Deswegen
verstehe ich, wenn weiblich identifizierte Menschen einen Penis als
triggernd erleben, und sich lieber in einem Raum aufhalten, in dem sie vor der Existenz von Penissen geschützt sind. Hier bitte ich um Empathie, sich in das Empfinden von trans* Frauen hineinzuversetzen: Es gibt trans* Frauen, die keine geschlechtsangleichende Operation machen wollen, weil sie, auch aufgrund der Hormontherapie, ihr Genital nicht als männlich, sondern als weiblich erleben. Es gibt biologische Variationen von Weiblichkeit, und genauso wie es innen liegende Vaginas gibt, die nicht alle gleich aussehen, gibt es auch außenliegende Vaginas. Ein trans*weibliches Genital als Penis zu bezeichnen, ist nur zulässig, wenn das die trans* Frau selbst so definiert.

Ich möchte an TERFs appellieren, ihre Genitalfixierung zu überwinden. Denn sie erkennen damit nicht nur trans* Frauen die Identität ab, sondern auch trans* Männern. Frauen liebende TERFs haben offensichtlich weniger Probleme damit, einen trans* Mann zu daten als eine trans* Frau – weil trans* Männer aus der TERF-Sicht keine Männer sind, sondern Butches, die sich männliche Privilegien aneignen wollen. Auf dem lesbischen Dating-Portal Lesarion schreiben cis* Lesben, sie würden sich eher auf Sex mit einem trans* Mann mit Strap-On als mit einer trans* Frau mit Penis einlassen.

Liebe TERFs: Am Genital hängt immer auch ein Hirn und Herz. Ein Mensch, der Entscheidungen trifft und eine eigene Identität hat, die nicht zwischen den Beinen, sondern zwischen den Ohren sitzt. Ich wünsche mir, dass ihr eure Sicht auf trans* Frauen reflektiert. Feminismus kann empowernd sein. Was haltet ihr davon, TIRFs, also trans*inklusiv, zu werden?

Naomi Noa Donath

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