Kunst

„Die Liebe zum Risiko“: das androgyne Performance-Duo Eva & Adele

20. Apr. 2018
Eva & Adele, Straßenperformance in Milan, 2007 © Giovanni Dall'Orto

Seit 1991 taucht das Berliner Künstlerpaar Eva & Adele immer wieder bei Vernissagen und Kunstereignissen rund um die Welt auf. „Wherever we are is museum“, lautet das Motto der beiden lebendigen androgynen Skulpturen, die immer mit identischen extravaganten Kostümen und einem rätselhaften Lächeln durch die Kunstwelt flanieren. Das Ausstellungshaus me Collectors Room Berlin/Stiftung Olbricht widmet dem multimedialen Künstlerduo eine üppige Retrospektive durch 25 Jahre Performance und bildende Kunst: Zeichnungen, Gemälde, Videoarbeiten und selbst entworfene Kostüme geben einen Einblick in das vielseitige Schaffen der faszinierenden Doppelfigur. SIEGESSÄULE traf sie zum Gespräch in ihrem Berliner Atelier

Der Titel der Ausstellung bedeutet sinngemäß „Die Liebe zum Risiko“. Seid ihr im Leben besonders risikofreudig? Eva: Ich glaube, das größte Risiko unseres Lebens war bereits, dass wir einander begegnet sind. (lacht). Adele: Wir waren damals zwei unabhängige Künstler und hatten nie vor, ein Künstlerpaar zu werden. Ganz im Gegenteil. Als wir uns begegnet sind, wussten wir sofort, dass wir dieselbe Sprache sprechen: Wir sind beide transsexuell und vollkommen frei in der Definition unserer Geschlechterrolle. Das ist die Grundlage unseres gemeinsamen Werks. Eva: Wir haben uns aus zwei individuellen Menschen und Künstlern in künstliche siamesische Zwillinge verwandelt.

Als lebendes Kunstwerk seid ihr immer im Partnerlook unterwegs, mit atemberaubenden Kleidern. Wie viele Kostüme habt ihr insgesamt? A: Ich weiß es nicht, unzählige! Hundert unserer früheren Kostüme haben wir schon mal ausgestellt. E: Die genaue Zahl ist schwierig zu bestimmen, da viele Outfits aus mehrfach kombinierbaren Teilen bestehen. Im Laufe der Zeit haben sich unsere Kostüme stark verändert. In den späten 80er- und früher 90er-Jahren konnten wir keine drei Schritte auf die Straße gehen – auch hier in Berlin –, ohne dass Leute auf uns zugelaufen oder uns nachgelaufen sind. Das hat damals Einfluss auf unsere Kostüme genommen: Mit diesen Spitzen und Zacken waren sie ein bisschen wie Rüstungen, wir haben uns sicherer gefühlt. A: Was uns in diesem Zusammenhang auch oft gerettet hat, war, dass wir immer Autogrammkarten dabeihatten. E: Unsere Kleider sind dann später immer femininer geworden, weil wir uns in der Öffentlichkeit zunehmend wohler fühlten.

2011 habt ihr eine Lebenspartnerschaft abgeschlossen, nachdem Eva gesetzlich als Frau anerkannt wurde. Wollt ihr jetzt, wo die Ehe für alle da ist, noch mal heiraten? E: Unsere Performance „Hochzeit Metropolis“ am 11. April 1991 im Martin-Gropius-Bau war für uns schon die wesentliche Hochzeit, weil wir uns mit der Kunst und vor der Öffentlichkeit verheiratet haben. Etliche Medien waren damals anwesend und die Fotos von uns in Hochzeitskleidern gingen um die Welt. Es war ein öffentlicher Akt. Mehr verheiraten kann man sich eigentlich gar nicht mehr! A: Wir haben quasi damals schon für die Ehe für alle geworben.

Ist es manchmal nicht ermüdend, diese Dauerkunstperformance zu erschaffen? A: Wir gehen nicht jeden Tag auf die Straße, wir lieben auch den Rückzug sehr. E: Wobei, wenn wir auf Reisen sind und jeden Tag ausgehen, fällt uns die dreistündige Vorbereitung mit Rasur unserer Köpfe und Gesichtmalerei leichter. Es ist schwieriger, sich zu motivieren, nachdem wir zehn Tage im Atelier vor der Staffelei verbracht haben, ohne rausgegangen zu sein. Wenn wir im Atelier sind, bildet dies eine Art Schutzmantel um uns herum. A: Wenn wir nicht diese Zurückgezogenheit hätten, glaube ich nicht, dass wir das performative öffentliche Leben so durchhalten könnten. Wir brauchen zu jeder Öffentlichkeit genauso viel Einsamkeit, vielleicht sogar noch mehr. Wir sind eigentlich ganz klassische Künstler, die lieber in ihrem Atelier sind.

Ihr seid nun ungefähr 30 Jahre ein Paar. Was ist das Geheimnis eurer Beziehung? A: Vielleicht ist das Geheimnis diese extreme existenzielle Bedingung in unserem gemeinsamen Werk. Wenn wir uns zum Beispiel wahnsinnig streiten würden, würde Eva & Adele – und damit unser Werk – zerstört. Das würden wir niemals machen.

Interview: Annabelle Georgen

Eva & Adele – L’amour du risque
,
27.04.–27.08.,
Mi–Mo, 12:00–18:00,
me Collectors Room Berlin/Stiftung Olbricht me-berlin.com

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